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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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freudiger Erregung, schildert von
Wolzogen seine frisch Erwählte in allen Einzelheiten. Nicht nur eine recht
ansehnliche Frau sei sie, mit bleichem und fein geschnittenem Angesicht, grazil
und so weiter, sondern auch gut situiert, wenngleich nicht von Stande, was er,
der Major, freimütig zugebe. Sie habe indes einen schmucken und einträglichen
Gasthof geerbt, den sie allein zu bewirtschaften nicht in der Lage sei, zumal
sie keine Kinder habe, die ihr helfen könnten. Was andererseits auch eine Eheschließung
erleichtere. Er habe bereits zarte Bande mit ihr geknüpft, was von Wolzogen
sicherlich tolerieren werde, da man ja erwachsen sei und sich die Lebenssäfte
schließlich nicht durch die Rippen schwitzen könne.

    Von Wolzogen spürt Übelkeit aufsteigen. Er tut, als müsse
er austreten, lenkt seinen Rappen zum Wegrand und steigt ab. Schon baut sich
der Kreutzer neben ihm auf, lässt sein Wasser in hohem Bogen an einen Baumstamm
spritzen. Von Wolzogens Blase krampft schmerzhaft, er wird nur wenige Tropfen
los. Sie sitzen wieder auf.

    »… und deshalb, mein lieber Neffe«, der Kreutzer lenkt
sein Pferd dicht an von Wolzogens Rappen heran, welcher sich prompt steif
macht, seine Mähne schüttelt, »wollte ich dich bitten, mein Brautwerber zu
sein, wenn wir in wenigen Tagen in besagtem Gasthof einkehren …«

    »Wozu?« Von Wolzogen tätschelt seinen Rappen am Hals, um
ihn zu beruhigen. »Wenn Sie bereits zarte Bande geknüpft haben, wie Sie es
nennen, braucht es keinen Brautwerber mehr. Zumal wenn sie keine Familie hat.«

    Der Major druckst herum, sagt, sie wisse noch nichts von
seiner Absicht, sie zu heiraten, und wiewohl sie darob froh sein müsse, sei mit
einer gewissen Scheu zu rechnen, da sie zwar nicht mehr ganz jung, aber doch
auch noch nicht so lebensweise sei, dem Schicksal nicht aus dem Weg zu gehen.
So hoffe er, dass sie sich recht rasch von den Vorteilen einer Ehe mit ihm, dem
Major, überzeugen lasse, wenn ein junger, strahlender Mensch mit adeligem Namen
aus dem Beraterkomitee des Königs vor sie hintrete und ihre Hand für seinen
Onkel erbitte.

    Von Wolzogen stockt der Atem, sein Rappen tappt sperrig
wie ein Fohlen, bleibt schließlich stehen. Daher weht also der Wind. Deshalb war
der Alte so erpicht auf von Wolzogens Begleitung an den Niederrhein. Das
erkorene Weib ist nicht recht willens, ihn zu heiraten. Und der liebe Neffe seiner noch nicht einmal von ihm geschiedenen Ehefrau soll es richten, soll
seinen vermeintlichen Einfluss auf höchster Ebene geltend machen.
    »Ich bin kein Verwandter von Ihnen, Herr Major, sondern
der Ihrer Gattin. Wie stellen Sie sich das also vor?«

    Der Major räuspert sich und reckt das Kinn, er spannt die
Zügel an, dass sein Brauner zu sabbern beginnt. »Ganz wie ich’s schildere! Mir
scheint, dass ich die Vorstellungskraft eines gebildeten Menschen nicht
überfordere. Sie werden zu ihr gehen, Sie werden mit ihr sprechen, Sie werden
sie von meinen Vorzügen überzeugen. Und wenn sie in eine offizielle Verlobung
mit mir einwilligt, so willige ich sogleich in die Scheidung von Sybille von
Wolzogen ein.«

    Von Wolzogen steigt das Blut zu Kopf, wie einem halbwüchsigen
Schüler angesichts einer Dirne, die ihre Dienste auf offener Straße anbietet. »Man
wird sehen«, sagt er leise, lenkt seinen Rappen zur Seite und betrachtet die
grauen Wolken, die über den Horizont jagen.

    »Danke, mein lieber Giselher«, freut sich der Major. »Wusste
ich doch, dass ich mit deiner Hilfe rechnen kann.«

20     Jost

     
    Aus den Aufzeichnungen eines unbekannten fahrenden Händlers,
undatiert, gefunden im Nachlass des Gastwirts Franz Vincent Müller, 1822 in
Hamburg.

    Mir ist, als hätt sich aller Nebel der Welt auf
mich gelegt, weil ich nicht mehr seh und hör, was um mich herum geschieht, weil
ich nichts anderes mehr empfind als mein schmerzendes Herz. Der Stadtrat hat meinen
Antrag auf Niederlassung abgelehnt. Von einer Fürsprache des Majors war den Amtleuten
nichts bekannt. Im Gegenteil, so ließen sie verlauten, sei erst kürzlich
einvernehmlich mit dem Major verfügt worden, dass fahrendes Volk, zu dem ich
zähl, künftig längstens sieben Tage in der Stadt sowie im Umkreis bleiben darf,
dann weiterziehen muss und frühestens drei Wochen später wieder einfahren darf.
Für eine dauerhafte Niederlassung seien Referenzen von hohen Gnaden
beizubringen, sagte man mir, andernfalls zähl ich nicht anders denn als
Schausteller oder Zigeuner. Meine schönen neuen Papiere

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