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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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wollten sie nicht erst
einsehen, denn es sei dem Stadtrat zu Ohren gekommen, dass ich mit Alraunenwurzeln
handele und somit den Aberglauben beim Volke nähre.

    Was bei Gott nicht wahr ist, denn die Wurzeln auf meinem
Wagen sind allesamt von der Zaunrübe und nur mit Melasse dunkler gefärbt, aber
niemand, der sich auskennt, würd sie je verwechseln außer natürlich denen, die
unbedingt Alraunen darin sehen wollen, was, wie mir L. versichert hat, ohnedies
egal ist, da Zaunrübenwurzeln noch viel besser gegen den Teufel helfen als
Alraunen, aber den Vorteil haben, von der Kirche und der Obrigkeit nicht
geächtet zu sein.

    Ich sollte mich nicht länger grämen, denn es muss ein
Irrtum sein, und gewiss ist es dem eiligen Aufbruch des Majors geschuldet, dass
er versäumt hat, meinen Antrag zu unterstützen, und so wird er, sobald er
wieder zugegen ist, alles richten nach meinen Wünschen, denn er schuldet mir ja
nun einiges für meine Dienste. Mir aber bleibt vorläufig nichts anderes, als
mich für einige Zeit von meinen lieben Wahlverwandten zu verabschieden und
jenseits der Grenzen des Landkreises hin- und herzuziehen, um dort die Rückkehr
meines Freunds und Gönners abzuwarten.

21     von Wolzogen

     
    Wesel! Da ist es!
    Giselher von Wolzogen äugt durch sein Spektiv, erkennt
ein Bauwerk aus rotem und weißem Kalkstein, reich verziert, von Pfeilerarkaden
im Halbkreis gesäumt, von ominösen Wallanlagen flankiert. Auf dem First ein
bekröntes Wappen, das von Schwerter und Fahnen schwingenden Engeln umrahmt
wird. Das muss das berühmte Berliner Tor sein. Er hatte in der Militärakademie
Gelegenheit, die Baupläne zu studieren. Über viele Jahrzehnte wurden die
Weseler Befestigungsanlagen geplant, verworfen, dann doch gebaut, erneut
aufgegeben, weitergebaut, wieder umgestaltet – endlich auf Veranlassung des
alten Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. fertiggestellt. Und mit diesem
Tor geschmückt, als emphatischem Ausdruck der Verbundenheit Preußens mit der
entfernten, durch Zufall und Erbfolge ergatterten Enklave im Westen.

    Von Wolzogen wird feierlich zumute. Er richtet sich auf
seinem Rappen auf, reitet im versammelten Trab auf das Bauwerk zu, um die aus
schneeweißem Stein gehauenen griechischen Gottheiten näher zu besehen, stutzt,
wendet sich angewidert ab. Vogeldreck! Fingerdick bedeckt Vogeldreck die
Häupter der Minerva und des Herakles! Schlimmer noch: Die Stuckaturmedaillons
links und rechts des Haupttors, die Brüste der Minerva, der Phallus des
Herakles weisen Flecke aus Lehm und Kuhdung auf, haben offenbar ein paar
Bengeln als Zielscheibe für Wurfspiele gedient. Wieso lässt die Wachtmeisterei
das Tor nicht reinigen?

    »Ferkelei«, schimpft von Wolzogen, als Major Kreutzer
herangeritten kommt.

    Der nickt. »Völlig nackt! Wenigstens dem Mann hätte man
was Kleidsames um die Lenden drapieren sollen.«

    Ein Wachtposten schlurft herbei, verlangt den Passierschein
und öffnet ohne ein weiteres Wort den Schlagbaum. Mit zwei Dutzend Dragonern
und zwei Wagen voller Tartoffeln passieren von Wolzogen und Major Kreutzer das
Berliner Tor, der größere Rest des königlichen Kommandos wartet in einem Nest
namens Hamminkeln auf weitere Order.

    Von Wolzogen blickt sich um. Weit und breit niemand, um
sie abzuholen. Dabei hat er einen würdigen Empfang erwartet. Dass der
versammelte Stadtrat sie willkommen heißt, dass die Gendarmerie samt
Musikkapelle sie durch die Stadt geleitet, wie es einer königlichen Entsendung
angemessen ist. Auch mit reichlich viel Volk, das zur Huldigung Se. Majestät die
Straßen säumt, hat von Wolzogen gerechnet. Er hat eigens einen Tag Rast in
Hamminkeln einlegen lassen und dafür gesorgt, dass sich der Dragonerhaufen vor
dem Einmarsch reinigt, pfleglich kleidet und frisiert, die Pferde striegelt,
die Wagen mit den Tartoffeln vom Schlamm säubert und mit weißen Wimpeln
schmückt. Alles, um dem Volk am Niederrhein einen erfreulichen Anblick zu
bieten. Und natürlich hat von Wolzogen rechtzeitig einen Boten nach Wesel
entsandt, um die Ankunft für heute, zehn Uhr morgens, anzukündigen, zu einer
Tageszeit also, wo es im April taghell ist und alle Welt auf den Beinen sein
müsste.

    Doch nicht einmal ein Huhn hat sich auf die Gassen entlang
der Wallanlagen verirrt, die Haustüren sind geschlossen, die Fenster zu ebener
Erde mit Tüchern verhängt. Hinter einer Buchenhecke reckt sich eine
Vogelscheuche mit Dreispitz. Was sind das nur für Menschen hier! Man sagt ihnen
nach,

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