Die Spucke des Teufels
Dutzend
Pimentkörnern und einem halben Pfund Linsen in Wasser, bis beides weich gegart
ist. Dies kann eine Stunde dauern. Lese sodann das Lorbeerblatt und die
Pimentkörner wieder heraus. Putze unterdessen einen Kohlrabi, eine Möhre und
drei Stangen Lauch, schneide sie allesamt klein und gebe sie zuletzt zur
köchelnden Suppe. Lass auch dieses Gemüse weich werden. Würze nun alles mit
Salz und Pfeffer nach und serviere zur Suppe ein kühles Bier.
Aus Franz Vincent Müllers Kochbrevier Die gute
Volksküche, erschienen zu Hamburg im Jahre 1802
»Ahhh!« Mehr bringt von Wolzogen nicht über die
Lippen, weil ihm das Wasser im Mund zusammenläuft. Da betritt auch das
verrückte Kind die Gaststube, doch diesmal geht es allein und aufrecht,
balanciert zwei Becher Bier herbei, ganz darauf bedacht, die Flüssigkeit nicht
zu verschwappen.
»Bitte, die Herren!«, sagt Lisbeth, als sie die Suppenteller
nebst Löffeln und Servietten vor dem Major und von Wolzogen absetzt.
»Bitte, die Herren!«, echot das Kind, ehe es seine Fracht
jeweils rechts der beiden Teller postiert und sich rasch wieder in Lisbeths
Schürze verkriecht.
»Naaaaaa«, schäkert der Major gut gelaunt, »was machst du
denn noch so spät am Abend hier, kleines Mädelchen?« Und fasst ihr an den Leib,
dorthin, wo bei einem Weibsbild die Brust, aber bei einem scheuen kleinen Kind
die Seele sitzen muss.
Das wird ihr kaum gefallen, denkt von Wolzogen noch. Und
doch hätte er beileibe nicht mit dem gerechnet, was folgt: Das Kind beißt,
flugs wie eine Schlange, dem Major in die Hand. Und schreit los, schreit, dass
Balken und Türsturz in Schwingung geraten. Von Wolzogen hält den Atem an, der kleine
Hund verdrückt sich unter die Bank am Ofen.
Nur der Major scheint seine Ohren verschließen zu können,
springt auf, greift das Kind am Arm, schüttelt es, bis es still ist. Dafür
schießt nun das Hündchen aus seinem Versteck, fasst den Major an der Hose,
worauf es abgeschüttelt wird und einen Tritt bekommt, dass es quer über Dielen
rutscht und winselnd in der Ecke liegen bleibt. Schon will der Major erneut
nach dem verwirrten Kind greifen, da haben sich der Weißschopf und ein finster
dreinblickendes halbwüchsiges Riesenross vor ihm postiert.
»Lassen Sie sie bitte – lassen Sie meine Schwester gehen!«,
presst das Riesenross heraus, stülpt die Unterlippe vor und blitzt den Major
aus verengten Augenschlitzen an.
»Das Mädchen hat viel Leid erfahren und ist seither aufgeregt
und schreckhaft«, erklärt der Weißschopf, deutet eine Art Diener an und blickt
von Wolzogen forschend ins Gesicht. »Ich bitte die Herren Offiziere um
Nachsicht und Milde.«
Von Wolzogen will das Ansuchen in militärischer Knappheit
abnicken, will sich wieder setzen und der noch dampfenden Suppe zuwenden, da
hat der Major schon das Riesenross am Revers gepackt und schüttelt es, als
handele es sich um einen toten Hasen.
»Weißt du denn, mit wem du redest, Bürschchen? Hat dir
noch keiner erzählt, wie man hochrangigen preußischen Offizieren begegnet?
Nein, offenbar hat dir das noch keiner beigebracht. Aber das sage ich dir: Du
wirst es lernen! Die Militärschulen sind ganz versessen auf Burschen wie dich
und …«
Merkwürdig! Der Knabe hat die demütigende Schüttelei
widerstandslos über sich ergehen lassen, doch nun greift er mit Entschiedenheit
nach dem Handgelenk des Majors, reißt dessen Arm von sich und dreht ihn, dass
es knirscht, hebt den Major mit der anderen Hand in die Höhe und bugsiert ihn
auf den Tisch, der unter der Wucht der hereinbrechenden Pfunde zusammenbricht,
sodass Bierkrüge und Teller nebst Inhalt scheppernd zu Boden stürzen, Löffel
und Lätze im Gefolge.
Der Major, dem Augenschein zum Trotz stramm wie ein Hirsch,
springt auf und fixiert seinen halbwüchsigen Gegner. »Ha, was meinst du, lieber
Giselher«, spottet er, »ist das am Ende ein ebenso irres Früchtchen wie seine
geliebte Schwester? Sage ich’s doch immer: Geisteskranke gehören beizeiten
unter die Erde! Sind eine schwere Hypothek fürs gesunde Volk, sollten beseitigt
und ihre Anverwandten an der Fortpflanzung gehindert werden. Damit die
Menschheit künftig aller Verseuchung durch Geisteskrankheit entgeht …«
Weiter kommt er nicht. Vom Nebentisch hat sich eine derbe
langhaarige Gestalt erhoben, rast auf den Major los und prügelt auf ihn ein,
wobei das Riesenross nur erstaunt beiseite steht. Von Wolzogen hebt beschwichtigend
die Hand und wird von dem
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