Die Spucke des Teufels
Trappenboom, wo einem die
Heiligen erscheinen. Die zwei haben was auf dem Kerbholz, war’n lang im
Gefängnis«, lacht das Weiblein, eh es das Fenster schließt und dahinter
verschwindet.
Der Regen nieselt unaufhörlich aus milchigem Himmel. Von
Wolzogen ist bis auf die Haut durchnässt. Doch die Ungewissheit quält ihn. Wenn
der Müller und sein Neffe verschwunden sind, was ist dann mit Lisbeth? Er gibt
seinem Rappen die Sporen.
Schwarze Wolken jagen heran und türmen sich auf. Das
Wirtshaus erhebt sich trutzig aus den Pfützen. Von Wolzogen pocht an die Tür.
Ruft. Keine Antwort. Er prüft die Scheune, den Stall. Alles ist fest
verrammelt. Er lauscht auf ein Rascheln im Heu, das Gackern eines Huhns.
Nichts. Aus der Hundehütte funkeln zwei grellgrüne Augenpaare. Die Katzen? Von
Wolzogen starrt hinein. Eins der Tiere faucht, das andere hält einen blutenden
Vogel im Maul.
Sie ist also auch davon. Geflohen mit Pferd und Wagen.
Sogar ihren Hund und ihre Hühner hat sie mitgenommen. Nur die Katzen nicht. Von
Wolzogen inspiziert die Fenster auf der Gartenseite. Eines, zum Keller hin,
gibt auf Druck nach, springt auf. Er kriecht hinein, fällt ein paar Fuß tief
und landet neben einem umgekippten Bierfass, das bis zum letzten Tropfen geleert
ist.
Auch die Speisekammer ist ausgeräumt bis auf einen Sack,
halb voll mit Kartoffeln, uralten Kartoffeln, die mehr Triebe als Knollen
aufweisen. Doch sonst, kein Brotkrümel, keine Trockenerbse … Dabei scheint es
von Wolzogen, als liege ein Hauch von Fäulnis und Verwesung in der Luft.
Ein halb zerbrochenes Einmachgefäß versteckt sich unter
der Bank. Drinnen schwimmt ein Rest von Birnenschnetzen in einem nach Met
duftenden gelben Sud. Daneben liegt bäuchlings ein Löffel, als habe ihn jemand
fallen gelassen.
Von Wolzogen stutzt. Ist da doch jemand im Haus? Er
entsichert sein Gewehr, tritt auf die Treppe zum Erdgeschoss. Alles dunkel.
»Guten Tag, ist da jemand? Ich komme in friedlicher Absicht!«
Ein Wetterleuchten durchzuckt die Düsternis, der Wind
fährt vom Kellerfenster herein, irgendwo im Haus klappt eine Tür. Von Wolzogen
fährt vor Schreck zusammen. Beruhigt sich wieder. Bei einem Gewitter reiben
Wolken aneinander und bewirken eine besondere Kraft, aus welcher Blitz und
Donner, Sturm und Regen erwachsen. So hat er es in der Militärakademie gelernt,
hat selbst einen Aufsatz dazu verfasst. Man muss auf der Hut sein vor dem
Blitz, das ja, doch sonst gibt es keinen vernünftigen Grund, sich vor einem
Gewitter zu fürchten.
Er beschließt, das Gasthaus zu durchsuchen. Vielleicht
gibt es einen Hinweis auf Lisbeths neues Quartier.
Mit gezücktem Gewehr steigt von Wolzogen hinauf ins
Erdgeschoss des Wirtshauses, lässt Licht herein, durchsucht Küche und Kammer.
Alles ist sorgfältig verwahrt: die Tischtücher, die Teller, die Becher, ganz
so, als warteten sie auf zahlende Gäste.
Nein, es besteht kein Zweifel, die schöne Wirtin ist geflohen.
Mit dem Müller und einem Mönch! Womöglich, um zu heiraten. Um ihren Bund zumindest
vor Gott zu besiegeln. Lisbeth hat demnach von Wolzogen und den Major getäuscht,
als sie in die Verlobung einwilligte. Hat anschließend versucht, beide zu
vergiften. Und dann sich selbst. Wie verzweifelt muss sie gewesen sein! – Oder
war das Gift in der Suppe doch nur ein Versehen? Die Kartoffeln darin schon
verdorben? Und Lisbeth, nun ja, sie ist unstet in ihren Gefühlen wie alle Weiber.
Findet mal an dem Kreutzer, mal an dem Müller mehr Gefallen. – Wie auch immer,
von Wolzogen wird sie suchen lassen!
Er steigt zu den Schlafkammern hinauf, die Türen stehen
offen, die Fensterläden sind geschlossen, Bettstätten und Truhen starren ihn aus
der Dunkelheit an, die Dielen knarren unter seinen Füßen.
Jäh zuckt ein Blitz aus dem Schrein, malt Zickzackmuster
an die Wand. Aus dem Schrein? Der Donnerschlag im Ofen lässt keine Sekunde auf
sich warten. Von Wolzogen durchfahren Blitz und Donner von den Zehen bis in die
Haarspitzen. Er taumelt, fällt, stellt verwundert fest, dass er noch lebt,
fasst sich allmählich, setzt Fuß vor Fuß den Flur entlang, die Treppe hinunter.
Er besinnt sich erneut auf seinen Aufsatz für die Militärakademie. Gewitter
entstehen durch Wind und Wolken, Blitze können nicht aus Schreinen entweichen,
Donnerschläge kommen niemals aus kalten Öfen. Es existieren keine
Wettergeister, auch keine Gespenster. Die Toten ruhen in Gott. Oder schmoren in
der Hölle. Alles andere ist heidnischer
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