Die Spur der Füchse
dieser Sache ein Vermögen auf dem Spiel.
Er drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. »Carol?«
Keine Antwort. »Carol!« brüllte er.
Das Mädchen steckte den Kopf ins Büro. »Tut mir leid, ich war gerade am Aktenschrank.«
»Machen Sie mir Kaffee.«
»’türlich.«
Aus dem Korb mit der Aufschrift ›Korrespondenz/Eingang‹ nahm Laski eine Akte mit dem Aufkleber: LONDONER PRÄZISIONSROHRFABRIK-VERKAUFSBERICHT, 1. QUARTAL. Es handelte sich um eine Akte mit den Berichten und Analysen von Industriespionen über ein Unternehmen, das Laski kaufen wollte, da er die Theorie vertrat, daß derartige Unternehmen eine Baisse am besten überstehen konnten. Aber hat diese Röhrenfabrik die Kapazität zu expandieren?, fragte er sich.
Er überflog die erste Seite des Berichts, seufzte vernehmlich, als er die niederschmetternde Prognose des kaufmännischen Direktors las, und warf die Akte zur Seite. Wenn Laski ein Spiel wagte, dessen Regeln er kannte, und dieses Spiel verlor, konnte er es mit Gleichmut hinnehmen. Doch wenn irgend etwas aus unerfindlichen Gründen schiefging, brachte es ihn in Rage. Laski wußte, daß er sich auf nichts anderes konzentrieren konnte, bis er den Deal mit der Hamilton Holdings und dem ShieldÖlfeld unter Dach und Fach hatte.
Er befingerte die scharfe Bügelfalte seiner Hose und dachte an Tony Cox. Er mochte diesen jungen Ganoven, trotz seiner offensichtlichen Homosexualität; denn Laski spürte, daß Cox und er Geistesverwandte waren, wie die Briten es nannten. Wie Laski stammte auch Tony Cox aus ärmlichen Verhältnissen und hatte es mit Entschlossenheit, Rücksichtslosigkeit und Opportunismus zu Wohlstand gebracht. Und wie Laski versuchte auch Cox – wenngleich in kleinerem Stil –, an seinem Auftreten und seinem Erscheinungsbild zu arbeiten, die rauhen Kanten seiner proletarischen Herkunft abzuschleifen. Was das betraf, war Laski ihm über, aber nur, weil er mehr Zeit zum Üben gehabt hatte. Cox wollte wie Laski werden, und er würde es auch schaffen – wenn er mal in den Fünfzigern war, würde Tony Cox sich in einen vornehmen grauhaarigen Londoner Gentleman verwandelt haben.
Doch Laski erkannte, daß er keinen triftigen Grund hatte, Cox zu vertrauen. Sein Instinkt sagte ihm zwar, daß dieser junge Mann ehrlich zu den Menschen war, die er kannte – andererseits waren die Cox’ dieser Welt allesamt Meister der Verstellung. Hatte Cox die Geschichte mit Tim Fitzpeterson nur erfunden?
Wieder erschienen auf dem Bildschirm die neuesten Notierungen der Hamilton-Aktien: sie waren um einen weiteren Punkt gefallen. Laski wünschte, die Börse würde nicht diese verdammten Computerdiagramme benutzen, lauter horizontale und vertikale Linien. Es strengte seine Augen an. Laski versuchte grob zu überschlagen, mit welchen Verlusten er rechnen mußte, sollte die Hamilton Holdings die Bohrrechte nicht bekommen.
Wenn er die 510.000 Aktien jetzt sofort abstoßen könnte, würde er nur ein paar tausend Pfund verlieren. Aber es war unmöglich, das gesamte Aktienpaket zum derzeitigen Kurs loszuwerden, denn die Notierungen rutschten immer tiefer in den Keller. Laski kam zu dem Ergebnis, daß er mit einem Verlust von etwa zwanzigtausend Pfund rechnen mußte. Höchstens. Aber der psychologische Rückschlag war schlimmer – sein Ruf als Siegertyp würde Kratzer abbekommen.
Steht sonst noch etwas auf dem Spiel?, fragte er sich. Oh, ja. Was Cox mit den Informationen über die Fahrtzeiten und die -routen der Geldtransporte anstellte, die er von ihm bekommen hatte, war mit Sicherheit kriminell. Aber was Cox vorhat, weißt du ja nicht, sagte sich Laski. Also kann man dich nicht wegen Mittäterschaft anklagen.
Aber da gab es noch die gesetzlich verankerte Schweigepflicht für bestimmte Beamte und Amtsträger – ein nach osteuropäischen Maßstäben mildes Gesetz, doch nichtsdestoweniger abschreckend: Es war gesetzeswidrig, an einen Staatsdiener heranzutreten und sich vertrauliche Informationen von ihm zu beschaffen. Es würde den Behörden nicht leichtfallen, Laski einen solchen Verstoß nachzuweisen, aber unmöglich war es nicht. Er hatte Peters damals gefragt, ob ein ›großer Tag bevorsteht‹, und Peters hatte geantwortet:
»Heute ist einer der Ta ge.« Darauf hatte Laski am Telefon zu Cox gesagt: »Heute ist es soweit.« Tja, falls man Cox und Peters zu einer Aussage bewegen konnte, war Laski eine Verurteilung sicher. Doch Peters hatte ja nicht einmal geahnt, daß er ein Geheimnis preisgegeben
Weitere Kostenlose Bücher