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Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gestorben, wodurch sie es dem Bauunternehmen und dem Stadtentwicklungsamt erspart hatte, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man die hartnäckige Alte aus ihrer verdammten Bruchbude rauskriegen konnte, um auch dort einen Neubau zu errichten. Billy hatte die Geschichte mit Interesse verfolgt: Es war wie im Fernsehen gewesen.
    Ja, in der Landschaft Ost-Londons kannte Billy jeden Stein, nur konnte er alle diese Steine nicht zu einem erkennbaren Bild zusammenfügen. Billy kannte jeden Meter der Commercial Road und der Mile End Road, doch wenn er an der Kreuzung dieser beiden Straßen stand, wußte er nicht mehr, wo er war. Dennoch fand er fast immer den Weg nach Hause, wenngleich er manchmal länger brauchte, als er veranschlagt hatte. Und wenn er tatsächlich mal den Überblick verlor, wurde er von der Polizei aufgelesen und mit einem Streifenwagen zu Mom und Pa gefahren. Alle Polizisten kannten seinen Pa.
    Als Billy nach Wapping gelangte, hatte er schon wieder vergessen, wohin er wollte. Wahrscheinlich, sagte er sich, wolltest du dir die Schiffe angucken. Billy entdeckte ein Loch im Zaun und schlüpfte durch. Das gleiche Loch hatte er schon mal zusammen mit Snowy White und Tubby Toms benutzt – an dem Tag, als sie die Ratte gefangen hatten. Snowy und Tubby hatten Billy damals gesagt, er solle das Tier mit nach Hause nehmen, seine Mom würde sich bestimmt darüber freuen und die Ratte zum Essen braten. Aber Mom hatte sich ganz und gar nicht gefreut, statt dessen war sie auf einen Stuhl gesprungen, hatte einen Beutel Zucker fallen lassen und wie am Spieß geschrien. Später hatte sie geweint und gesagt, es wäre hundsgemein von den anderen, sich immer auf Billys Kosten über ihn lustig zu machen. Die Leute trieben oft derbe Späße mit Billy, aber es machte ihm nichts aus; denn Kumpels zu haben, war eine tolle Sache.
    Billy schlenderte eine Zeitlang am Zaun entlang und fragte sich, was er eigentlich am Hafen zu suchen hatte. Dann sah er das Schiff und hatte das unbestimmte Gefühl, daß in seinen Kindertagen mehr Schiffe hier vor Anker gelegen hatten. Heute war nur eins zu sehen. Dafür war es ein großes Schiff, das ziemlich tief im Wasser lag. Vorn war ein Name auf der Schiffswand geschrieben, den Billy nicht entziffern konnte. Er sah Männer, die eine Rohrleitung verlegten, die vom Schiff zu einem Lagerhaus führte.
    Billy stand da und schaute eine Zeitlang zu, dann fragte er einen der Männer: »Was is’n da drin?«
    Der Mann, der eine Weste und eine Schlägermütze trug, blickte Billy an. »Wein, mein Junge.«
    Billy staunte. »Im Schiff? Wein? Ganz voll Wein?«
    »Genau, Kumpel. Château Bohrinsel, Jahrgang ungefähr letzten Donnerstag.« Alle Männer lachten über diese Bemerkung, doch Billy kapierte überhaupt nichts. Er lachte trotzdem. Die Männer arbeiteten eine Zeitlang weiter, dann fragte der Mann, der von dem Wein erzählt hatte: »Was tust du hier eigentlich?«
    Billy dachte einen Moment angestrengt nach, dann sagte er: »Hab’ ich vergessen.«
    Der Mann musterte ihn eingehend und murmelte dann einem der anderen irgend etwas zu. Billy hörte zwar den Schluß der Erwiderung: »… sonst fällt der Bekloppte noch ins Wasser und ersäuft«, wußte aber nichts damit anzufangen. Dann verschwand der Mann mit der Schlägermütze und der Weste im Lagerhaus.
    Nach ein paar Minuten erschien ein Hafenpolizist. »Ist das der Bursche?« fragte er die Männer. Sie nickten, und der Hafenpolizist kam zu Billy und fragte: »Hast du dich verlaufen?«
    »Nö«, sagte Billy.
    »Wo willst du denn hin?«
    Billy wollte schon erwidern, daß er eigentlich nirgendwo hin wollte, aber die Antwort kam ihm irgendwie falsch vor. Plötzlich fiel es ihm wieder ein. »Bethnal Green!«
    »Also gut. Dann komm mal mit. Ich bringe dich zur Straße, und dann zeige ich dir, in welche Richtung du mußt.«
    Da Billy stets den Weg des geringsten Widerstands zu gehen bereit war, schlurfte er neben dem Polizisten her, bis sie ans Hafentor gelangten.
    »Wo wohnst du eigentlich?« fragte der Polizist.
    »Ich?« sagte Billy. »Yew Street.«
    »Weiß deine Mutter, wo du steckst?«
    Billy gelangte zu der Einsicht, daß dieser Kerl eine männliche Ausgabe von Mrs. Glebe war und daß er es deshalb nicht besser verdient hatte, als belogen zu werden. »Ja.«
    »Und wohin willst du?«
    »Ich gehe zu meiner Tante.«
    »Weißt du denn ganz bestimmt, wo deine Tante wohnt?«
    »Ja.«
    Dann gelangten sie ans Tor. Der Hafenbulle musterte Billy nachdenklich,

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