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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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zu erkennen, dass es nicht ihr Erscheinen war, das für ängstliches Schweigen sorgte. Während die schreckensbleiche Hedwig hilfesuchend zu ihr sah, starrten die anderen Frauen auf die alte Wehmutter, der gerade eine Schüssel aus den zittrigen Händen geglitten und zersprungen war.
    »Gott steh uns bei, wenn sie das Kind auch fallen lässt«, flüsterte die Frau des Haushofmeisters und rang die Hände.
    Damit ist es entschieden, dachte Marthe bitter. Die Not ihrer Gönnerin war zu groß, als dass sie sie ignorieren könnte: der jähe Schmerz der Wehen, der durch Hedwigs Körper jagte undsich dort festbiss, die Angst vor dem Ausgang dieser Geburt, nachdem die vorangegangene sie beinahe das Leben gekostet hatte, und jene dumpfe Verzweiflung, die sie bei Hedwig schon seit Monaten festgestellt hatte.
    Sie empfahl ihr Schicksal mit einem stummen Gebet in Gottes Hand, gab sich einen Ruck und ging auf Hedwig zu.
    Am Bett der Markgräfin kniete sie nieder und ergriff Hedwigs Hand. »Seid ohne Sorge, meine Herrin. Diesmal wird alles gutgehen, das habe ich Euch doch schon vor Monaten versprochen.«
    Ihre Worte und ihre Geste schienen Hedwig zu erleichtern. Auf die Frauen in ihrer Umgebung hatten sie jedoch eine Wirkung, als hätte soeben der Blitz direkt neben ihnen eingeschlagen.
    »Sie kann wieder reden!«
    »Sie ist gar nicht stumm!«
    Solche und ähnliche Ausrufe summierten sich zu einem erstaunten Aufschrei mit hämischen oder auch anklagenden Untertönen, die Marthe nicht entgingen. Und Hedwig auch nicht, trotz ihrer Not.
    »Kniet nieder und dankt Gott mit einem Gebet!«, herrschte die Markgräfin die Frauen an. »Der Herr in seiner unermesslichen Güte hat beschlossen, der Dame Marthe die Sprache zurückzugeben, damit sie mir in meiner schweren Stunde beistehen kann.«
    Marthe erkannte mühelos, dass diese Worte keine spontane Eingebung, sondern schon lange vorher überlegt worden waren. Doch sie bewirkten, was Hedwig bezweckte. Sofort war jeglichem Gerede über Marthes wiedererlangte Fähigkeit zu sprechen eine fromme, gottgefällige Deutung vorgegeben.
    Gehorsam sanken die verblüfften Hofdamen auf die Knie und sprachen ein Dankgebet. Während Marthe begann, den Mägden Befehle zu erteilen, um alles herbeizuschaffen, was sie fürdie Entbindung brauchte, kam Richenza freudestrahlend auf sie zu. Seit einiger Zeit zählte sie auf Ottos Weisung zum engeren Gefolge der Markgräfin, wenn sie mit Randolf am Hofe war. »Meine Liebe, ich freue mich ja so für Euch, dass Ihr wieder genesen seid«, sagte Randolfs Frau und umarmte Marthe, der dabei ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.
    »Ihr seid zu freundlich zu mir«, antwortete sie und hoffte, dass Richenza nichts von ihrem Frösteln bemerkt hatte. Sie konnte nicht in die Augen der anderen Frau sehen, doch schon die flüchtige Berührung ließ bei ihr alle Alarmglocken läuten. Richenza ist gefährlicher denn je – und nicht nur für mich, sondern auch für Hedwig, erkannte sie.
    Noch bevor sich die Frauen der geheuchelten Gratulation anschließen konnten, drehte Marthe sich zu ihnen um. »Ich danke Euch allen von Herzen. Doch jetzt müssen wir unsere Gedanken und Gebete auf das Wohl unserer Fürstin und ihres Kindes richten.«
    Sie kniete erneut an Hedwigs Seite nieder. »Seid unbesorgt«, wiederholte sie, »der Herr wird Seine Hand über Euch halten.«
    Hedwig sah sie dankbar an, doch im nächsten Augenblick jagte eine neue Wehe durch ihren Körper. Marthe wartete, bis die Welle des Schmerzes abgeklungen war, dann ließ sie ihre Hände sanft über den hochgewölbten Leib gleiten, um die Lage des Kindes zu ertasten. Es würde nicht mehr lange dauern. Die Wehen kamen in kurzen Abständen, das Fruchtwasser und etwas blutiger Schleim waren schon abgegangen, bevor Marthe gerufen worden war.
    »Diesmal liegt es richtig«, verkündete Marthe, die darüber ebenso erleichtert war wie Hedwig. Die vorangegangene Entbindung wäre beinahe eine Steißgeburt geworden, doch Marthe hatte mit viel Geschick das Kind im Leib drehen können.
    Durch Knoten kürzte sie die weiten Ärmel ihres Überkleides,die für jede Arbeit außer Sticken denkbar ungeeignet waren, wusch sich gründlich die Hände, wie es ihr einst ihre Lehrmeisterin beigebracht hatte, und schickte eine Magd nach reinem Gänseschmalz. Gundelrebe, Frauenmantelkraut und was sie sonst noch gebrauchen konnte, hatte sie vorsorglich mitgebracht. In ihrem Innersten war ihr klar gewesen, dass dieser Tag kommen würde und sie

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