Die Spur der Hebamme
blass. Man musste nicht das zweite Gesicht haben, um ein schreckliches Blutvergießen zu befürchten. »Noch gibt es keinen Grund, zu verzagen«, versuchte er sie zu beruhigen. »Der Plan könnte aufgehen. Falls nicht – wir werden es ihnen nicht leichtmachen.«
»Du solltest diesmal nicht auf Radomir reiten«, sagte Marthe schließlich so beherrscht sie konnte. »Verrat liegt in der Luft. Die Angreifer werden Ausschau halten nach dem schwarzen Reiter.«
Christian betrachtete sie nachdenklich. Dann ritt er zum Wartturm, um Herwart von den neuen Befehlen zu berichten, und suchte die beiden Fuhrleute auf. Er brauchte ihre Hilfe für ein Täuschungsmanöver, das seine Erfolgsaussichten verbessern sollte.
Nachdem Hans und Friedrich seinem Plan ohne Zögern zugestimmt hatten, rief Christian Kuno und Bertram zu sich.
»Markgraf Otto hat mir befohlen, alle meine bewaffneten Männer mitzubringen«, sagte er. »Ihr zwei bleibt hier.«
Bevor sie protestieren konnten, packte er Kuno an der Schulter und sah ihm fest in die Augen. »Eure Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen. Das heißt aber nicht, dass ich euch nicht zu meinen zuverlässigsten Leuten rechne. Im Gegenteil. Kuno, ich vertraue dir und deinem Freund die Sicherheit meiner Stieftochter Johanna an.«
Sofort veränderte sich der Gesichtsausdruck des Jungen, wechselte von stummem Protest zu Verstehen und Stolz. Der Rotschopf sah kurz zu Bertram hinüber und nickte ihm zu. Dann blickte er Christian genauso ernst an wie dieser ihn. »Ihr könnt Euch auf uns verlassen, Herr.«
Marthe tat sich schwer damit, schon wieder nach Meißen zu ziehen. Sollte sie jedes Mal aus ihrem Dorf fliehen und die anderen ihrem Schicksal überlassen müssen, wenn Christian fort war? Aber diesmal durfte sie wirklich nicht allein hierbleiben. Am liebsten würde sie auch Johanna mit auf den Burgberg nehmen. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei, das Mädchen im Dorf zu lassen, wenn hier Randolf und Sebastian regierten und weder Christian noch seine Ritter zur Stelle waren.
Doch Johanna war entschlossen zu bleiben. Die sonst so energische Mechthild lag mit schwerem Fieber im Bett und brauchte Pflege, und Emmas Niederkunft stand unmittelbar bevor. Sie und der Schmied sehnten die Geburt ihres nächsten Kindes herbei, nachdem Emma im Jahr zuvor eine Fehlgeburt erlitten hatte.
»Bleib, sooft es geht, im Haus«, riet die besorgte Marthe ihrer Stieftochter. »Und wenn du hinausgehst, verbirg dein Haar, damit du niemandes Aufmerksamkeit erregst.«
Sie hatte Susannes Rat für das Leben eines hübschen Mädchens in einer Welt allmächtiger und oft gewalttätiger Männer nicht vergessen: sich so gut es ging unsichtbar zu machen.
Kuno und Bertram würden sicher alles tun, um Johanna zu beschützen. Und sie hoffte inbrünstig, dass niemand es wagen würde, Christians Stieftochter oder sonst jemanden aus seinem Haushalt zu belästigen.
Am Abend vor dem Aufbruch statteten Marthe und Christian dem Schmied und seiner rotblonden Frau einen letzten Besuch ab. Karl und Agnes waren gerade bei ihnen und ließen ihren kleinen Sohn von Emma bewundern.
»Ihr lasst uns also allein«, konstatierte Jonas bitter, als er hörte, dass der Markgraf nicht nur Christian, sondern auch dessen Männer samt und sonders nach Meißen befohlen hatte.
»Einen Angriff von Fremden habt ihr während unserer Abwesenheit wahrscheinlich nicht zu befürchten«, sagte Christian nach einem kurzen Moment des Schweigens.
Jonas verbiss sich die Entgegnung, dass ihm die bekannten Feinde im Dorf genügten. Schließlich verließ Christian sie nicht freiwillig; ihm blieb keine Wahl, und das war bitter genug.
Der Ritter schien seine Gedanken zu erraten.
»Lasst euch zu nichts provozieren«, sagte er fast beschwörend.
»Haltet euch an den Bergmeister. Er hat noch am ehesten Einfluss und auch den Mut einzuschreiten, wenn Randolf es zu arg treibt.«
»Während alle anderen den Schwanz einziehen und sich verkriechen oder längst übergelaufen sind«, stieß Karl verächtlich aus. »Hildebrand als Dorfschulze war wenigstens nur feige. Aber der Tuchhändler – was für eine Ratte!«
»Was erwartest du? Die meisten hier sind Bauern, einfache Häuer oder Knechte. Ihr Leben lang wurde ihnen nichts anderes gepredigt und eingeprügelt, als Gehorsam zu üben.«
Christian stand auf und legte Jonas wortlos die Hand auf die Schulter, bevor er ging.
Warum ist mir zumute wie bei einem Abschied auf lange Zeit?, dachte der Schmied.
»Gott
Weitere Kostenlose Bücher