Die Spur der Hebamme
Reiter vor ihnen etwas von dem Gespräch mitbekamen. »Falls sie ihn angreifen, kämen wir viel zu spät zu Hilfe.«
»Wenn Blicke töten könnten, hätten wir da vorn schon längst zwei Leichen zu Pferd«, entgegnete Lukas mit einem Grinsen.
»Sei beruhigt: Wenn Gefahr drohte, hätte dich Christian sicher nicht mitgenommen.«
Mit jäh aufflammendem Unwillen zerrte Konrad an den Zügeln seines Pferdes. »Ich hasse es, dass er mich dauernd ins Haus schickt, wenn ein Kampf bevorsteht. Sogar den Rotschopf und seinen Freund hat er gestern mitgenommen! Dabei lerne ich schon viel länger, das Schwert zu führen. Hält Christian mich für einen Versager?«
Erstaunt sah Lukas auf den schwarzhaarigen jungen Mann neben sich. »Das bestimmt nicht. Aber Knappen ziehen nicht in den Kampf.«
»Ihr selbst habt es doch auch getan, damals zusammen mit meinem Vater, um Christian zu befreien«, erwiderte der junge Markgraf.
Lukas glaubte zu verstehen, was in Konrad vorging. »Da war ich auch etwas älter als du. Und schließlich bin ich nicht der einzige Erbe eines Markgrafen.«
Er grinste ihn mit einem Verschwörerlächeln an. »Deshalb durfte ich schon mal über die Stränge schlagen. Das ist der Vorteil.«
»Wenn Ihr es so seht«, räumte Konrad widerwillig ein. »Aber warum nimmt er mich dann heute mit?«
»Um deinem Onkel eine Freude zu machen und euch ein Wiedersehen zu ermöglichen. Und damit du etwas lernst.« Konrad wog ab, ob die Gelegenheit günstig war für eine weitere Frage, die ihm am Herzen lag, und befand, dass der junge und trotzdem schon bewährte Ritter neben ihm vielleicht darauf antworten würde.
»Warum hat uns die Dame Marthe heute nicht verabschiedet wie sonst?« Diesmal hatte sie ihnen den Reisesegen schon im Haus mit auf den Weg gegeben und war in der Halle geblieben, statt wie üblich die Reisenden vor das Tor zu begleiten und ihnen nachzuschauen, bis sie außer Sichtweite waren.
»Sie wird wohl zu tun gehabt haben«, brummte Lukas.
Konrad war sich sicher, dass dies nicht der Grund sein konnte. So beschäftigt die Gemahlin seines Ritters auch war – bisher hatte sie es sich nie nehmen lassen, sich angemessen von Reisenden zu verabschieden. Schließlich konnte man nicht wissen, ob man den anderen je wiedersah. Gefahr lauerte nicht nur auf den Straßen und im Wald.
»Es hat mit Randolf zu tun, nicht wahr?«, bohrte er weiter.
»Sie hat keinen Grund, ihn zu mögen, nach dem, was er Christian und dem Dorf angetan hat«, knurrte Lukas, nun wirklich schlecht gelaunt. »Und du solltest lernen, wann es besser ist, nicht weiterzufragen.«
Beschämt verstummte Konrad.
Lukas ließ sich zurückfallen, um mit seinem Braunen die Kolonne zu beschließen. Dabei gab er sich erneut finsteren Gedanken hin, die Marthe, Randolf und ein Geheimnis betrafen, das er lieber nie erraten hätte.
Sie verzichteten unterwegs auf eine Rast, und da die Tage nun länger wurden, schafften sie es, noch vor Einbruch der Dämmerung den Burgberg zu erreichen.
Gemeinsam übergaben sie die Vogelfreien an Arnulf und ließen sich dann umgehend bei Markgraf Otto melden.
Diesmal konnten sie ihn nicht sehen, sondern nur hören. Der Palas war von dickem, beißendem Qualm durchzogen, und wie durch eine Nebelwand war die wütende Stimme des Markgrafen zu vernehmen: »Welcher Tölpel hat nasses Holz in den Kamin gelegt? Lass das sofort entfernen und neu anfeuern!«
»Ja, Herr; sofort, Herr«, vernahmen sie die klägliche Stimme des Haushofmeisters. Augenblicke später lief dieser den Neuankömmlingen mit beleidigter Miene entgegen, hastete ohne ein weiteres Wort nach draußen und begann, Befehle zu erteilen.
Die Ritter und der Sohn von Markgraf Dietrich schritten durch den Qualm, bis sie unmittelbar vor Otto standen. Als sie niederknien wollten, unterbrach er sie mit einer Handbewegung. »Erspart mir die Förmlichkeiten. Lasst uns diesen Ort so schnell wie möglich verlassen, bis hier wieder Ordnung eingekehrt ist.«
Er unterdrückte mühsam einen Hustenanfall und winkte den Männern, ihm in die Kemenate zu folgen. Dort saß Hedwig, über ein Pergament gebeugt, und bedachte sie mit einem freundlichen Lächeln, das merklich kühler wurde, als ihr Blick auf Randolf fiel.
Immer noch den Husten niederkämpfend, befahl Otto einem Pagen, Wein einzuschenken, und nahm einen tiefen Zug. Dann erst musterte er die beiden Männer, die mit finsteren Mienen direkt vor ihm standen.
»Sieh an«, sagte er, während ein grimmiges Lächeln über
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