Die Spur der Hebamme
sehe Euch morgen beim Gottesdienst«, sagte der Pater im Gehen streng zu Christian. »Euch und Eure Gemahlin, hoffe ich.«
Solange Sebastian noch in der Nähe war, herrschte tiefes Schweigen. Dann gab Christian seinen Rittern ein Zeichen, und sie gingen ins Haus.
Mechthild brachte Wein. »Es ist Euch doch recht, auch wenn Ihr dafür die Sünde der Völlerei beichten müsst?«, fragte sie bissig. Niemand lachte, auch die finstere Miene der Köchin hellte sich bei ihren eigenen Worten nicht auf.
Ihnen allen war klar, dass soeben Zeiten angebrochen waren, in denen sie im Beisein anderer jedes Wort sorgfältig abwägen mussten.
»Das war fast das Erste, was ich in Meißen erfahren habe – dass uns der Bischof diesen Eiferer ins Nest setzt«, begann Lukas seinen Bericht. »Sigrun ist wieder im Kloster, dieser Sebastian hat seine Stellung verloren und sprach beim Bischof vor, ob der ihm nicht Bartholomäus’ Pfarre zuteilen würde.«
»Als Lohn für seine Berichte von den sündigen, ketzerischen Verhältnissen hier«, mutmaßte Christian voller Bitterkeit.
»Ich bin sicher, als Erstes soll er für den Bischof herausfinden, wie Marthe wieder hierhergekommen ist«, berichtete Lukas weiter.
»Versteh mich nicht falsch«, fügte er nach einer kurzen Pause vorsichtig hinzu. »Ich glaube, unter diesen Umständen ist es ganz gut, dass Marthe vorerst verstummt ist.« Er sah seinem Freund aufmerksam ins Gesicht, während er fortfuhr. »Ich denke, wir sollten es vorerst dabei belassen, jedenfalls nach außen hin. Selbst wenn sie wieder anfängt zu sprechen.«
Christian hob langsam den Kopf. »Ja.«
Er hatte gerade nicht nur ähnlich, sondern weitergedacht. SolangeMarthe nach der Fehlgeburt noch nicht wieder eingesegnet war, durfte sie keine Kirche betreten. Aber was würde Sebastian dafür verlangen? Wenn er diesen Eiferer zu Marthe ließ, würde er ihr jedes Wort im Mund herumdrehen, um aus ihr eine Hexe und vom wahren Glauben Abgefallene zu machen. Es wäre ihr Todesurteil. Denn wer als rückfällig vor ein Kirchengericht kam, landete unweigerlich auf dem Scheiterhaufen.
Er musste verhindern, dass Mathe je vor Sebastian die Beichte ablegte. Also blieb nur ein Weg: schnellstens eine Kapelle zu bauen und einen Kaplan in seinen Haushalt zu holen. Aber bald würden die ersten Bodenfröste einsetzen und die Bauarbeiten verhindern. Und wo sollte er in der gebotenen Eile einen Geistlichen finden, der ähnlich tolerant und trotzdem gottesfürchtig wie Bartholomäus war?
Er sollte Marthe jetzt nicht verlassen, sie brauchte ihn. Aber er musste nach Meißen, um Ottos Silber hinzuschaffen und einen Kaplan ausfindig zu machen. Bis er einen gewonnen hatte, da gab er Lukas recht, war es wohl das Beste, wenn Marthe offiziell als verstummt galt.
Gott würde ihm diese Lüge verzeihen, falls es eine sein sollte.
»Der Markgraf und die Dame Hedwig senden Genesungswünsche«, berichtete Lukas weiter. »Aber länger als bis einen Tag nach Martini will Otto auf das Silber nicht warten. Wenn Marthe bis dahin wieder gesund ist, sollt ihr die hohen Feiertage auf dem Burgberg verbringen. Hedwig wird bald ihr Kind zur Welt bringen, und sie wäre erleichtert, wenn es Marthe bis dahin gut genug geht, damit sie ihr als Wehmutter beistehen kann.«
Christian stützte seinen Kopf in die Hände und überlegte.
Seine Freunde warteten, was er sagen würde.
»Gut«, meinte er schließlich. »Zuerst spreche ich mit dem Baumeister.Als Dank für die Rettung meiner Frau will ich hier eine Kapelle errichten lassen.«
Die anderen sahen sich kurz an und verstanden sofort.
»Kluge Idee«, meinte Gero.
Richard grinste. »Und so fromm …«
»Genau«, stimmte Christian zu. »Und weil es ein frommes Werk ist, können seine Leute die Arbeit vielleicht schon diesen Sonntag beginnen, falls ich Steine bekomme. So kann sich Randolf nicht beschweren, dass ich den Bau des Bergfrieds behindere. Ein paar Leute aus dem Dorf werden sicher helfen. Vielleicht schaffen wir es noch vor dem Frost.«
Nun sah Christian zu Gero. »Kannst du übermorgen Till nach Meißen begleiten?«
Sein Ritter starrte ihn verblüfft an. »Ja, natürlich. Wozu?«
»Ich brauche Geld für die Kapelle. Alles, was ich habe, geht für die Wachen und ihre Ausrüstung drauf. Er soll in meinem Auftrag Geld leihen. Und vor allem einen guten Kaplan ausfindig machen. Er hat studiert, er weiß, worauf es ankommt. Vielleicht kennt er sogar noch jemanden durch seine alten
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