Die Spur der Hebamme
Marthe hat die Sprache verloren. Sie ist sehr krank und hat seit ihrer wundersamen Rückkehr kein Wort gesprochen.«
Sichtlich missgestimmt lehnte sich der Bischof zurück. »Dann werden wir uns gedulden müssen, bis sie genesen ist. Diese Sache muss aufgeklärt werden. Ich rechne auf deine Mitwirkung, mein Sohn. Da du mir vorerst in dieser Sache nicht dienlich sein kannst, wirst du an das Kloster deiner ehemaligen Braut zwanzig Mark Silber zahlen – zusätzlich zur Mitgift ihres Vaters als Buße. Und weitere zwanzig für alle Unkosten, die entstehen, um die Erlaubnis einzuholen, von der ich nicht garantieren kann, dass du sie bekommst. Es wird auch einige Zeit dauern.«
Vierzig Mark Silber!, dachte Lukas erschrocken. Die konnte er im Leben nicht aufbringen. Nicht einmal Raimund, der wohlhabendste unter seinen Freunden, verfügte über so viel bares Geld. Doch er nickte.
Er würde Geld leihen und Christian bitten müssen, im Frühjahr zu ein paar Turnieren reisen zu dürfen, möglichst weit weg von hier. Denn nun konnte er sich die edle Geste nicht mehrleisten, dem Besiegten Ausrüstung und Pferd zu lassen, die dem Sieger als Preis zustanden.
»Außerdem erwarte ich einen weiteren Dienst von dir«, fuhr der Bischof ungerührt fort.
Lukas verneigte sich knapp und wartete.
»Nach dem Ableben von Pater Bartholomäus – Gott sei seiner frommen Seele gnädig – bekommt dein Dorf einen neuen Priester. Begleite ihn dorthin, wenn du zurückreitest.«
Der Bischof befahl einem seiner Bediensteten, den neuen Pfarrer von Christiansdorf zu holen. Als Lukas sah, wer nun mit unverhohlen triumphierender Miene in den Saal kam, fühlte er sich wie vom Blitz getroffen.
Einen Tag später als erwartet kehrte Lukas zurück und wurde zum Erstaunen aller von einem Mann auf einem Maultier begleitet. Als die beiden nahe genug heran waren, damit er den Begleiter erkennen konnte, gefroren Christians Gesichtszüge. Es war kein anderer als Sebastian.
Lukas’ finstere Miene verhieß nichts Gutes.
Seine schlechten Ahnungen bestätigten sich, als Lukas Sebastian zu ihm führte und beim Absteigen erklärte: »Der neue Pfarrer von Christiansdorf. Der Bischof hat ihn gestern berufen und mich beauftragt, ihn hierher zu geleiten.«
Nach einem Augenblick eisigen Schweigens sagte Christian: »Meinen Glückwunsch, Pater, zu dem neuen Amt.«
Er befahl einer Magd, den Ankömmlingen einen Willkommenstrunk zu bringen. »Nur Dünnbier. Wir wollen doch nicht der Sünde der Völlerei frönen«, wies er an.
Ritt ihn der Teufel, dass er sich das nicht verkneifen konnte? Der Mann konnte ihnen allen gefährlich werden!
»Wollt Ihr mich nicht in Euer Haus bitten, Christian?«, fragte der neue Dorfpfarrer mit lauerndem Blick. »Wie mir unserehrwürdiger Bischof sagte, ist Euer Weib sehr krank. Ihr fehlt geistlicher Beistand, um zu gesunden. Und wenn es wirklich so schlecht um sie steht, sollte sie unverzüglich die Beichte ablegen.«
Bei den nächsten Worten wechselte Sebastian von geheuchelter Sorge wieder zu seinem harten, selbstgefälligen Ton. »Ihr Lebenswandel ist nicht gottgefällig. Wenn sie in Gottes Augen Gnade finden will, soll sie Kinder gebären und spinnen und sich um den Haushalt kümmern, statt als Wehmutter umzugehen. Das tut kein ehrbares Weib. Kein Wunder, dass der Allmächtige sie straft.«
Christians Hand fuhr unwillkürlich an den Dolch. Im gleichen Augenblick fühlte er eine schwere Hand auf seiner Schulter, die sich hart in seine Muskeln grub.
»Nicht!«, flüsterte ihm Lukas warnend zu, der schon einen Tag lang Zeit gehabt hatte, sich über die neue Lage den Kopf zu zerbrechen. »Du reißt uns alle ins Verderben – und Marthe auch.«
Christian zwang sich, ruhig zu antworten. »Meine Frau ist schwer krank. Vorerst wird sie nicht beichten können. Sie ist kaum bei Bewusstsein und hat die Sprache verloren. Wenn Ihr ihr beistehen wollt, Pater, so sprecht ein Gebet für Ihre Genesung in der Kirche. Dafür werde ich Euch danken.«
Er drehte sich kurz um und winkte Peter herbei. »Der Junge wird Euch zum Pfarrhaus begleiten und Euer Maultier versorgen.«
Peter griff nach den Zügeln des Reittieres. Er fing einen warnenden Blick von Christian auf und nickte ihm kaum merklich zu, dass er verstanden hatte.
Was dachte der Herr nur von ihm? Natürlich würde er vorsichtig sein und dem neuen Pater nichts verraten. Schließlich hatten der und diese hochnäsige Dame Sigrun Schuld an dem, was seiner Herrin widerfahren war.
»Ich
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