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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Verbindungen.«
     
    Immerhin – es gab erste Anzeichen einer Besserung. Die eifrigen Bemühungen Johannas, der Köchin und ihrer vielen Helfer trugen dazu bei, dass Marthe wenigstens rein äußerlich gesundete. Sie holte wieder an Gewicht auf und wirkte bald nicht mehr so abgemagert, dass man um sie fürchten musste.
    Doch ihre Augen waren erloschen. Wie seelenlos blickte sie um sich, anscheinend, ohne etwas richtig wahrzunehmen. Wer mit ihr sprach, bekam keine Antwort.
    Nachts lag Christian mit brennenden Augen neben seiner Frau und wagte nicht, sie zu berühren. Was haben sie ihr angetan, dachte er immer wieder, schmiedete Rachepläne und verzweifelte,weil er nicht wusste, wie er Marthe helfen konnte. Er hätte seine Stellung und seinen gesamten Besitz auf der Stelle hergegeben, wenn er dafür seine Frau wiederbekommen hätte, so wie sie vorher war.
    Den Mitgliedern seines Haushaltes verbot er strikt, in Marthes Gegenwart zu erwähnen, wer der neue Dorfpfarrer war. Darüber geriet er mit Lukas in heftigen Streit.
    »Du hilfst ihr nicht, indem du sie verzärtelst«, warf ihm sein einstiger Knappe vor. »Sie muss es erfahren, sie muss sich darauf einstellen können.«
    »Schau sie dir doch einmal an«, entgegnete Christian aufgebracht. »Sie ist nicht mehr sie selbst, sie ist doch mehr tot als lebendig. Da soll ich ihr sagen, dass vor dem Tor schon der Nächste lauert, der sie auf den Scheiterhaufen bringen will?!«
    »Ja, um sie zu schützen!«, rief Lukas, nun nicht minder erregt.
    »Sie ist eine Kämpfernatur, sie hat immer gekämpft. Vielleicht braucht sie ja gerade das, um aus ihrer Starre zu erwachen. Lass nicht zu, dass die sie kleinkriegen!«
    »Erzähl du mir nicht, was für meine Frau das Beste ist«, fuhr Christian auf. »Was weißt du schon! Du kennst sie nicht!«
    Lukas biss sich auf die Lippe, um eine Entgegnung zurückzuhalten. Ich kenne sie vielleicht besser als du, wenn auch nicht im biblischen Sinn, dachte er verbittert. Ich habe sie schon geliebt, da hast du sie noch nicht einmal als Frau wahrgenommen.
    Mit einem Ruck stand er auf und ging ohne ein Wort nach draußen.
     
    Lange blieb Christian allein, in düstere Gedanken versunken. Er bemerkte nicht, dass Till schon vor einiger Zeit den Raum betreten hatte, um sich nach den Einzelheiten seines Auftrages zu erkundigen, und dabei die letzten Worte des Streites mit Lukas mitbekommen hatte. Nachdenklich blieb der einstige Spielmannin der Tür stehen und focht in seinem Inneren einen Kampf aus. Schließlich drehte er sich um und ging genauso unbemerkt, wie er gekommen war, nach oben in die Kammer, in der Marthe von ihrer Stieftochter gepflegt wurde.
    Als Christian endlich aufstand, um nach seiner Frau zu sehen, vernahm er schon auf der Treppe unerwartete Töne. Verwundert öffnete er die Tür und erfasste mit einem Blick das Bild.
    Auf dem Fußboden hockte Till, der Spielmann, der keiner mehr sein wollte, und summte eine herzergreifende Melodie. Er hielt dabei die Augen geschlossen und hatte die Knie mit seinen Armen umfasst. Christian kannte das Lied. Ludmillus hatte es früher oft gespielt, eine Weise von einem Recken, der viele Gefahren besteht, um einen Schatz zu finden, aber bei der Rückkehr erfahren muss, dass seine einzige Liebe gestorben war.
    Marthe hatte sich aus eigener Kraft aufgesetzt und starrte den Spielmann an. Tränen standen in ihren Augen, aber zum ersten Mal seit ihrer Heimkehr zeigte sich wieder eine Regung auf ihrem Gesicht. Dankbar griff Christian nach ihrer Hand und presste sie auf sein Herz.
     
    Es roch nach Schnee.
    Christian konnte mit dem letzten Silbertransport vor Einbruch des Winters nicht mehr bis zum Ablauf der Frist warten, die ihm der Markgraf eingeräumt hatte, sonst würden die Wege unpassierbar sein. Also befahl er schweren Herzens, alles für den Aufbruch am nächsten Morgen vorzubereiten, hin und her gerissen zwischen seiner Dienstpflicht und der Sorge um Marthe.
    Er wollte sie nicht allein lassen.
    »Morgen früh muss ich fort, das Silber nach Meißen eskortieren«, sagte er am Abend vor der Abreise zu ihr.
    Jäh schlang sie ihre Arme um seinen Hals und presste sich an ihn. »Lass mich nicht allein«, flüsterte sie. »Bitte!«
    So überrascht und froh Christian über ihre ersten Worte war, so wuchs sein schlechtes Gewissen nur noch mehr. Er würde alles für sie tun, aber ausgerechnet diese Bitte konnte er ihr nicht erfüllen. Wenn der Anteil des Markgrafen an der Ausbeute der letzten Monate unterwegs

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