Die Spur der Hebamme
ihr angestellt haben. Aber ich fürchte, sie haben sie zerstört. Gebrochen.«
»Das kann ich nicht glauben«, widersprach Lukas heftig, während sie in die Halle gingen. »Sie hat sich nie unterkriegen lassen. Nie, seit ich sie kenne.«
In der Halle warteten Richard und Gero. »Ich kann jetzt nichthier weg«, sagte Christian zu ihnen. »Wir warten mit dem Silbertransport, solange es geht, bevor der erste Schnee fällt. Kann einer von euch zum Markgrafen reiten und ihm die Lage schildern? Ich hoffe, er ist einverstanden und geduldig genug, noch ein paar Tage zu warten.«
»Lass mich reiten«, bot Lukas an. »Ich muss ohnehin zum Bischof, um ihn zu ersuchen, mich vom Ehegelöbnis zu entbinden. Aber was soll ich sagen, wenn er oder Otto fragen, wie du sie gefunden hast?«
»Dass ein zufällig auftauchender Retter ihr ohne unser Wissen geholfen hat und ich schwören musste, keine Einzelheiten darüber zu erzählen.«
Die drei Freunde wussten inzwischen von Ekkeharts Eingreifen, hatten aber wie Christian keine andere Erklärung dafür als den Wunsch Ekkeharts, Randolf Schwierigkeiten zu ersparen. Sie würden schweigen.
Lukas’ Neuigkeiten wurden von Otto und Hedwig mit Erleichterung aufgenommen, wenngleich sich Otto verärgert zeigte, dass ihm das Rätsel um Marthes geheimnisvolles Verschwinden und Wiederauftauchen nicht enthüllt werden sollte. Er gewährte Christian Aufschub bis einen Tag nach Martini, das Silber nach Meißen zu eskortieren.
Direkt vom Palas des Markgrafen aus ging Lukas zum benachbarten Bischofspalas und ersuchte um eine Audienz bei Bischof Martin.
Er musste nicht lange warten, bis er empfangen wurde. Als Lukas niedergekniet war und sein Anliegen vorgebracht hatte, musterte ihn der hagere Bischof mit kühlen Blicken, hinter denen Lukas große Neugier erahnte.
»Ein Eheversprechen gilt wie die Ehe als heiliges Bündnis und kann nicht einfach so aus einer Laune heraus gelöst werden,mein Sohn«, hielt er dem jungen Ritter unwirsch vor. »Es sei denn, du kannst zu enge Blutsverwandtschaft nachweisen, aber das trifft in diesem Fall wohl nicht zu. Zumal« – jetzt nahm seine Stimme etwas Lauerndes an – »das Weib deines Dienstherrn inzwischen wieder aufgetaucht ist und du deiner Braut nicht mehr ihren Tod anlasten kannst.«
Lukas hatte Mühe, sich seine Verblüffung nicht anmerken zu lassen. Der Bischof musste einen eifrigen Spion in Ottos Halle haben, wenn er jetzt schon davon wusste. Er hatte seit seiner Ankunft mit niemandem sonst auf dem Burgberg darüber gesprochen. Und die Unterredung mit dem Markgrafen lag kaum länger zurück als die Zeit, die man zu Pferd für eine Wegstrecke von einer Meile brauchte.
Interessant.
»Für ein einziges Weib hat Christians Frau wirklich eine Menge Aufsehen erregt und Scherereien bereitet«, fuhr der Bischof ungeduldig fort. »Jetzt soll ich ihretwegen auch noch befürworten, dass du ein Verlöbnis aufkündigst und dich damit ausdrücklich dem Wunsch deines Vaters widersetzt. Und du glaubst, das sei gottgefällig, mein Sohn?«
Wenn er mich nicht von der Verräterin befreit, fliehe ich nach Schwaben oder Burgund und verdinge mich dort unter falschem Namen als Mietkämpfer, dachte Lukas finster.
Stattdessen sagte er: »Meine Braut ist sehr fromm und wollte ihr Leben Gott weihen. Das ist ihre wahre Berufung. Wenn Ihr sie ihrem Wunsch entsprechend wieder in ihr Kloster lasst, ist Gott bestimmt besser gedient.«
Der Bischof strich sich über das glatte Kinn. »Mir liegt ein Schreiben ihrer Äbtissin mit ähnlichem Inhalt vor«, sagte er scheinbar nachdenklich. »Deshalb bin ich nicht abgeneigt, dein Anliegen zu befürworten. Zumal es ein erpresstes Eheversprechen war. Doch für eine Entscheidung muss ich mehr wissen.«
Er beugte sich vor und wirkte nun wie ein Habicht, der sich im nächsten Augenblick auf seine Beute stürzt. »Wie ist sie aus dem Verlies entkommen?«
Lukas begriff sofort, dass er um den Preis dieses Verrats die Zustimmung des Bischofs bekommen würde. Und einen Bischof zu belügen war eine Sache, für die ihm kein Priester so schnell Absolution erteilen würde. Doch er hatte geschworen zu schweigen. Ekkehart war ihm gleichgültig, aber niemand wusste, ob Bischof Martin aus dem Wissen um die Einzelheiten nicht doch noch einen Strick für Marthe drehen würde.
»Ich kann es Euch nicht sagen, Eminenz.« Das ist keine Lüge, dachte Lukas bei sich und hoffte, dass dem Bischof die Doppelbödigkeit seiner Worte entging. »Die Dame
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