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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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geraubt wurde, weil er nicht gut genug für die Sicherheit des Transportes gesorgt hatte, würde Otto für ihn und seine Leute keine Gnade kennen.
    Vorsichtig küsste er ihre Wange, strich sanft über ihr Haar und hielt sie fest.
    »Willst du mir endlich erzählen, was sie dir angetan haben?«, fragte er leise. Josefa hatte immer gesagt, dass Reden Kummer lindern konnte.
    Marthe erstarrte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf.
    Sie vermochte es nicht. Als sie bei Ekkehart gewesen war, hatte sie noch sprechen können, weil sie sich in Gefahr glaubte, sich verteidigen musste. Aber nun …
    Sie konnte das Grauen nicht noch einmal durchleben.
    Endlich war sie unter Freunden, sie wurde beschützt, endlich durfte sie ihrem Schmerz nachgeben. Und der Angst, dass es keine Sicherheit mehr für sie gab, keinen wirklichen Schutz.
    Nicht vor dem Raubvogelgesicht und seinesgleichen.
    Mit vierzehn Jahren hatte sie geglaubt, hilflos die Brutalität Randolfs und seiner Spießgesellen ertragen zu müssen, es wäre das Furchtbarste an Ausgeliefertsein, das ihr widerfahren könnte. Doch was sie jetzt durchlitten hatte, war noch schlimmer.
    In Randolfs Gewalt wusste sie, dass es ein Verbrechen war und gesühnt werden würde, was er ihr antat – wenn nicht auf Erden, so doch am Tag des Jüngsten Gerichts.
    Aber das Kirchengericht hatte sie zertreten wollen wie einen Wurm, es hatte befunden, dass es ein gutes und notwendigesWerk war, sie zu töten. Dabei war sie doch immer bemüht gewesen, ein gottgefälliges Leben zu führen und anderen Menschen zu helfen.
    Auch wenn sie vorerst gerettet war, konnten sie jeden Tag wiederkommen. Und nichts und niemand vermochte sie dann vor dem Scheiterhaufen zu bewahren – weder Christians Stellung noch sein Schwert, nicht einmal der Markgraf oder Hedwig.
    Sie würde ihre Arbeit aufgeben müssen. Sie durfte nicht mehr heilen. Und Johanna auch nicht. Ihrer Stieftochter sollte nicht das Gleiche wiederfahren wie ihr.
    Josefas Warnung schwebte als unheilvolle Drohung über ihr, bis sie endlich in einen unruhigen, immer wieder von Alpträumen durchbrochenen Schlaf fiel.
    Christian hielt sie fest und wachte über sie.
     
    Im Morgengrauen wollte er leise aufstehen, um seine kranke Frau nicht zu wecken. Er würde Johanna bitten, bei ihr zu bleiben. Doch er hatte sich kaum aufgesetzt, als Marthe ihn auf eine Weise ansah, die ihm beinahe das Herz aus dem Leib riss.
    Wider Erwarten bat sie ihn nicht, bei ihr zu bleiben. Sie starrte ihn an, öffnete leicht den Mund, als wollte sie etwas sagen, schloss ihn wieder und schien in sich hineinzulauschen.
    Schließlich sah sie mit verhangenem, abwesendem Blick wieder zu ihm auf. »Jemand lauert euch auf … auf halbem Weg … Männer werden sterben …«
    Christian erstarrte mitten in der Bewegung.
    Nur zweimal hatte Marthe solche unheilvollen Voraussagen gemacht – damals, als sie mit dem Siedlerzug in ihr neues Dorf unterwegs waren. Und beide Ahnungen hatten sich erfüllt.
    Nicht einen Lidschlag lang glaubte er, dass sie das nur sagte, um ihn bei sich zu halten. Das war nicht ihre Art.
    Hastig schüttelte er seine Beklommenheit ab. »Ich werde aufpassen. Mit mir reiten meine besten Männer.«
    Er beugte sich über sie und küsste ihre Stirn. »Morgen Abend bin ich zurück. Du hast mein Wort.«
    Er zwang sich zu einem Lächeln, rief nach Johanna und ging hinaus.
     
    Als er vors Haus trat, um nach den Pferden zu sehen, entdeckte er einen blutrot verfärbten Himmel. Mit einem Schaudern rief er sich Marthes gerade erst gehörten Worte ins Gedächtnis. Er sprach ein stummes Gebet und ging weiter.
    Bei den Ställen wartete Lukas mit ungewohnt ernster Miene auf ihn. Bevor Christian etwas sagen konnte, begann der Jüngere zu sprechen. »Verzeih mir. Ich habe nicht das Recht, dir zu sagen, was das Beste für deine Frau ist.«
    Christian schüttelte den Kopf. »Du musst dich nicht entschuldigen. Vielleicht hast du sogar recht.«
    Die halbe Nacht lang hatte er darüber nachgegrübelt.
    Er legte Lukas die Hand auf die Schulter und zog ihn etwas näher zu sich heran, damit niemand hörte, was er sagte. »Schau den Himmel an.«
    »Blutrot. Ein Zeichen?«
    »Vielleicht.« Christian berichtete von Marthes Vorahnung.
    Lukas bekreuzigte sich schaudernd. »Sagst du es den Männern?«
    »Nur, dass ich einen Hinweis auf einen bevorstehenden Überfall bekommen habe.«
    »Gut«, meinte Lukas. »Gerade jetzt darf niemand erfahren, dass sie diese Gabe hat, sonst zerren sie sie wieder

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