Die Spur der Hebamme
»Aber sie soll schwarze Haare haben.«
Der feiste Besitzer des Hurenhauses verbeugte sich ehrerbietig, überlegte kurz und rief dann nach einem seiner Mädchen. Einen Augenblick später kam eine üppige schwarzhaarige Schönheit mit dunklen Augen die Treppe herunter. Sie lächelte ihn verführerisch an und zeigte dabei, dass sie noch alle Zähne hatte. Nicht umsonst hatte dieses Haus den Ruf, die hübschesten und erfahrensten Huren zu haben. Und die teuersten.
Der dicke Wirt wieselte um ihn herum. »Gefällt sie Euch, edler Herr?« Als Ekkehart zögernd nickte, nannte er den Preis und hielt die Hand auf. Der Preis war unverschämt, aber Ekkehart hatte schon Feuer gefangen.
Die Hure war tatsächlich in allen Liebeskünsten bewandert. Dennoch verspürte Ekkehart eine innere Leere und sogar Widerwillen, als er das Haus verließ.
Am nächsten Abend ging er erneut dorthin.
»Heute will ich eine mit kastanienbraunem Haar. Und sie soll sich nicht aufführen wie eine Hure, sondern züchtig wie eine Dame«, forderte er.
Der Hurenwirt wunderte sich nicht, sondern verbeugte sich diensteifrig. Er war die absonderlichsten Wünsche seiner Kundschaft gewohnt. Sicher, die meisten Gäste kamen hierher, um statt ihrer prüden, langweiligen Gemahlinnen endlich einmaleine temperamentvolle Gespielin zu finden oder besonders ausgefallene Gelüste befriedigen zu können. Mancher allerdings – und dazu schien dieser zu gehören – nahm auch eine Hure als Ersatz für eine ganz bestimmte Angebetete, die für ihn unerreichbar war.
Der Wirt lief keuchend die Treppe hinauf, Ekkehart hörte hastiges Gewisper, mit dem er die Wünsche seines Gastes übermittelte, dann kam ein braunhaariges Mädchen die Treppe herunter.
Es versetzte Ekkehart einen Stich, als er sah, dass sie ihr Haar sogar zu einem Zopf geflochten hatte.
Sie lächelte ihm mit gespielter Schüchternheit zu und senkte den Blick.
»Du sagst kein Wort«, befahl Ekkehart schroff, noch bevor sie etwas sagen konnte. Er wollte ihre Stimme nicht hören, ihren Meißner Tonfall, der sich von Marthes Art zu sprechen unterschied.
Sie nickte, trat auf ihn zu und sah ihn stumm an. Dann drehte sie sich um und ging aufreizend langsam die Treppe hinauf. Auf halbem Weg wandte sie sich um und bedeutete Ekkehart mit verhangenem Blick, ihr zu folgen. Erst zögerte er, dann nahm er zwei Stufen auf einmal. In der Kammer schenkte sie ihm schweren Rotwein ein. Er stürzte zwei Becher hinunter, während sie mit gesenkten Lidern dastand. Dann sah sie auf und lächelte ihm ermutigend zu.
Die Hure kannte sich aus mit dieser Sorte Kundschaft. Ein Liebeskranker, der sie stellvertretend für die unerreichbare Dame seines Herzens besteigen wollte. Ihre Liebeskünste konnte sie hier erst später einsetzen. Jetzt musste sie noch die Schüchterne spielen.
Wie zufällig ließ sie den Schulterausschnitt ihres Kleides etwas verrutschen, so dass mehr bloße Haut hervorblitzte. Mit einemhastigen Schritt war ihr merkwürdiger Freier bei ihr und schob den weichen Stoff noch weiter nach unten, bis ihr Busen völlig unbedeckt war. Dann presste er das Gesicht zwischen ihre Brüste, umklammerte sie mit seinen schwieligen Händen und begann an ihnen zu saugen.
Unbemerkt zog sie an der raffinierten Verschnürung ihres Kleides, das nach einem einzigen Griff zu Boden fiel. Ihr Gast keuchte nun heftig, drängte sie zum Bett und warf sie darauf. Sie wusste, jetzt war der Moment gekommen, wo für ihn die Illusion Wirklichkeit geworden war. Sie reckte ihm die Arme entgegen und zog ihn stumm lächelnd auf sich.
Mit einem gequälten Stöhnen drang er in sie ein. Nun konnte sie die gespielte Schüchternheit aufgeben. Sein Traum war es schließlich, dass ihn die Dame seines Herzens mit aller Leidenschaft empfing. Sie umklammerte seinen Rücken mit ihren Beinen, zog ihn zu sich und stöhnte wollüstig, wobei sie strikt seinen Befehl einhielt und kein einziges Wort sprach.
Wenn sie ihm gefiel, würde er wiederkommen. Seiner Kleidung nach zu urteilen, hatte er Geld, war nicht brutaler als die meisten anderen auch, und im Gegensatz zu den widerwärtigen Wünschen manch anderer Kunden war es doch einmal eine nette Abwechslung, die Unschuld zu spielen.
Sanft strich sie über sein Gesicht, dann über seinen Rücken, bevor sie ihn mit den Finessen ihres Gewerbes zur Ekstase trieb. Als er seinen Höhepunkt erreichte, stöhnte er qualvoll auf. Diesmal klang es fast wie ein Schluchzen.
Ein liebestoller Narr, dachte die Hure
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