Die Spur der Hebamme
Anspannung.
Marthe zog sie an sich und streichelte dem Mädchen den Rücken. »Das musst du nicht«, sagte sie, so fest sie konnte.
»Ich kann nicht vergessen, was er Karl angetan hat«, meinte Johanna gequält. »Und Jonas. Ich muss immer noch davon träumen, wie seine Leute Berthas Mann aufgehängt haben und wie sein Dolch in die alte Mutter Grete fuhr …«
Stumm drückte Marthe das Mädchen an sich. Konnte sie ihr guten Gewissens versprechen, dass sich so etwas nicht wiederholen würde?
»Selbst Ritter Christian konnte nichts gegen sie ausrichten«, wehklagte Johanna weiter. »Sie haben ihn gefangen genommen und fortgebracht. Und dann kamen sie wieder und sagten, er sei tot.«
»Aber das war gelogen. Er hat sich geopfert, um uns zu retten«, widersprach Marthe.
Zu ihrem Erstaunen war es Marie, die sich nun einmischte. »Und dann ist er zurückgekehrt und hat sie alle davongejagt. Er wird auch diesmal für Gerechtigkeit sorgen«, sagte sie nachdrücklich und blickte dabei Marthe an.
Die lächelte ihr dankbar zu. »Wir dürfen uns nur keine Angst einjagen lassen.«
Wenn schon die sonst so besonnene und mutige Johanna verzagte, wie sollte sie erst ihrem kleinen Sohn erklären, was im Dorf vor sich ging? Mit seinen drei Jahren war Thomas alt genug, um allerlei mitzubekommen und aufzuschnappen, aber zu klein, um vorsichtig zu sein.
Noch am gleichen Abend verließen Randolf und seine Frau das Dorf, nachdem sich Richenza mit überschwenglicher Höflichkeit von Marthe verabschiedet hatte. Marthe vermutete, dassdie beiden im Nachbardorf übernachten würden, das einem von Randolfs Anhängern gehörte.
Die Einzelheiten von Christians erstem Sieg hatten längst die Runde gemacht und wurden von den neueren Dorfbewohnern mit spöttischer Freude und Häme gegenüber den Fremden aufgenommen.
Doch wer von den Christiansdorfern das Blutgericht miterlebt hatte, das der künftige Burgvogt hier vor ein paar Jahren abgehalten hatte, der atmete erleichtert auf und bekreuzigte sich, weil diesmal alles glimpflich verlaufen war. Bergmeister Hermann stiftete eine Kerze, und auch Pater Bartholomäus kniete vor dem Altar nieder und sprach ein Dankgebet, das aus tiefstem Herzen kam.
Die Bauleute begannen, in der Nähe der künftigen Burg Hütten zu errichten, in denen sie schlafen und ihr Werkzeug aufbewahren konnten. Ihr Meister kam zu Christian und bat ihn mit höflichen Worten, ihm eine Frau zu empfehlen, die seine Männer bekochen konnte. Christian schickte ihn zur Witwe Elsa, die resolut genug war, um mit einer Horde rauher Bauleute zurechtzukommen. Außerdem hatte sie den kleinen Peter, der ihr bei der Arbeit zur Hand gehen konnte. Die Witwe willigte sofort ein, der Zuverdienst war ihr hochwillkommen.
Währenddessen machte sich eine Gruppe Steinbrecher auf den Weg zu einer gut eine Meile entfernten Stelle, um dort geeignetes Material für den Bau des Bergfrieds zu gewinnen.
Nach ein paar Tagen begann Marthe, Hoffnung zu schöpfen, dass sie die neue Situation vielleicht doch heil überstehen konnten.
Genau in diesem Augenblick kam ein Bote mit der Nachricht, Markgraf Otto wünsche Christian und dessen Gemahlin unverzüglich in Meißen zu sehen.
Christian bemerkte, dass Marthe erbleichte und ihren Blick unwillkürlich auf seine rechte Hand richtete, als würde sie sie ein letztes Mal sehen.
»Randolf hat doch selbst zugegeben, dass sein Knecht Unrecht begangen hat«, rief sie, nachdem der Bote gegangen war. »Bei allen Heiligen, was hat er dem Markgrafen erzählt?«
Beschwichtigend legte ihr Christian den Arm auf die Schulter. »Vielleicht geht es um etwas ganz anderes. Und dich wollen sie vermutlich dort haben, damit du Hedwig bei ihrer Schwangerschaft beistehst.«
Marthe senkte den Kopf, um ihre Ängste zu verbergen. Es war immer schwierig, wenn nicht unmöglich, vorherzusagen, was Markgraf Otto plante. Würde er Christian bestrafen? Oder hatte er lediglich eine neue Order? Alles war möglich.
Christian schien ähnlich zu denken wie sie, auch wenn er es nicht aussprach. Er beschloss, ohne seinen Knappen mit Marthe nach Meißen zu reiten. Nur Lukas sollte sie begleiten, für den Fall, dass Marthe ohne ihn zurückkehren musste.
Und ihr entging auch nicht, dass er Richard und Gero auftrug, für die Sicherheit seiner Kinder zu sorgen, falls er nicht bald wiederkäme.
Josefas Prophezeiung
»Ruhig! Ruhig.« Christian hatte sich zurückfallen lassen und griff nach den Zügeln von Marthes Stute. Das Tier spürte
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