Die Spur der Hebamme
verbergen, damit er nichts von meinen Gefühlen für Dietrich merkt, dachte sie verzweifelt.
Marthe bat um Erlaubnis, Hedwigs Puls zu fühlen, befragte sie nach allen möglichen Einzelheiten ihres Befindens.
»Ich kann Euch verschiedene Heiltränke zubereiten, gegen die Übelkeit und gegen die Schwermut, die auf Euch lastet«, sagte sie schließlich. »Etwas zur Stärkung und etwas für erholsamen Schlaf. Aber das allein wird nicht helfen.«
Sie lächelte der Markgräfin aufmunternd zu. »Lasst Euch ein warmes Bad richten, das bringt Farbe auf Eure Wangen, und ich kann Euch all die Verspannungen wegmassieren. Und Ihr solltet dieses tiefbraune Kleid ablegen, es lässt Euch müde aussehen. Tragt wieder kräftige Farben, rot und blau, die stehen Euch besser. Auch wenn das Euren Kummer nicht lindert – es hilft Euch, ihn vor den anderen zu verbergen. Sie dürfen Euch nicht für schwach halten.«
Nach einem tiefen Atemzug fuhr sie leiser fort: »Ich weiß, Ihr seid bedrückt. Aber vielleicht tröstet Euch dies: Ich bin sicher, Ihr werdet eine bildhübsche Tochter bekommen.«
Nach einem Moment des Schweigens sagte Hedwig tiefbewegt: »Aus Eurem Mund beruhigt mich das wirklich.«
Als Hedwig sie entließ, begab sich Marthe auf die Suche nach Christian. Sie ging die Treppe hinunter und warf von der Tür aus einen Blick in die prächtige Halle. Dort stand ihr Mann gemeinsam mit mehreren anderen Männern vor Otto, der auf seinem reichverzierten Stuhl saß. Sie schienen in aller Gelassenheit etwas zu bereden. Nichts deutete darauf hin, dass es Ärger gegeben hatte. Erleichtert stieß Marthe ein Dankgebetaus und ging Richtung Küche, um die Arzneien für Hedwig zuzubereiten.
Johanniskraut, überlegte sie. Melisse. Frauenmantel. Bibernelle. Was noch? Und in welchem Verhältnis?
Dass sie in Gedanken schon ganz bei der besten Medizin war, wurde ihr zum Verhängnis, als sie an einem schmalen Durchgang vorbeikam. Jemand packte sie grob von hinten, presste ihr eine riesige Hand auf den Mund und zerrte sie in den dunklen Gang. Der Unbekannte verfügte über Bärenkräfte, ihre verzweifelte Gegenwehr schien ihm nicht das Geringste auszumachen. Er hob sie einfach hoch und stieß sie in einen dunklen Raum. Als die Tür hinter ihr zuschlug, drückte er sie mit seinem schweren Körper gegen das Mauerwerk und setzte ihr einen Dolch an die Kehle. Sie fühlte die Klinge, roch seinen Schweiß und den Wein in seinem Atem.
Was will er? Marthes Gedanken rasten. Warum sagt oder tut er nichts?
Von draußen hörte sie sich rasch nähernde schwere Schritte. Doch als sich die Tür öffnete und zwei weitere Männer die Kammer betraten, von denen einer eine Fackel trug, die den winzigen Raum ausleuchtete, erlosch in ihr jede Hoffnung auf Rettung.
Sie war Gefangene jener drei Ritter, die sie zusammen mit Randolf wieder und wieder geschändet hatten.
»Beim ersten Laut schlitze ich dir die Kehle auf«, zischte der feiste Giselbert, ohne seine massige Hand von ihrem Mund zu nehmen. Die Körperkraft ihres Gegenübers ließ nicht die geringste Bewegung zu.
»Lass sie los«, meinte der hochgewachsene Ekkehart mit seiner wie stets undurchdringlichen Miene. »Sie wird still sein.«
Giselbert zögerte einen Moment, dann erlöste er sie von seiner schweren, verschwitzten Hand, während er sich weiter gegenihren Körper presste und den Dolch an ihren Hals drückte. Gierig atmete sie die stickige Luft ein.
Elmar, der wie immer sein rötliches Haar sorgfältig frisiert und gelockt hatte, trat einen Schritt näher und sah auf sie herab. »Randolf weiß nichts hiervon. Seine Abmachung mit dem Markgrafen betrifft uns nicht, wir sind nicht daran gebunden«, sagte er mit der ihm eigenen Kaltblütigkeit. »Das ist eine Warnung. Sollte Randolf deinetwegen Schwierigkeiten bekommen, stechen wir dich ab. Und vorher deine Brut, vor deinen Augen.«
Er gab Giselbert ein Zeichen, sie loszulassen.
Marthe lehnte sich mit zittrigen Knien gegen die Wand. Ihre Kinder! Doch dann zwang sie sich zu Beherrschung. Thomas und Clara waren in Sicherheit und gut geschützt, dafür würden Christian und seine Freunde stets sorgen. Sie durfte keine Angst zeigen, sonst war sie verloren. Furchtlosigkeit war jetzt ihre einzige Waffe gegen diese drei Männer, die so viel größer und stärker als sie waren.
Mit einem Mal packte sie eine ungeheure Wut.
»Ich bin nicht mehr vierzehn und schutzlos«, fuhr sie Elmar an.
»Wenn mir etwas zustößt, wird jeder wissen, wo die
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