Die Spur der Hebamme
verdünnten Wein oder Sude, deren Gerüche ihr sonderbar vertraut vorkamen.
Einmal glaubte sie Ekkeharts Stimme zu hören, der streng befahl: »Du wirst niemandem etwas davon erzählen!«
»Selbstverständlich, Herr.« Das musste die Alte sein.
Später – sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, vielleicht waren es Tage oder gar Wochen – hörte sie Ekkehart fragen: »Wird sie überleben?«
Die Alte antwortete: »Unwahrscheinlich. Ihr seht doch, was sie durchgemacht hat, das arme Ding. Das allein könnte so ein zartes Wesen schon unter die Erde bringen. Aber jetzt hat sie auch noch das Fieber, das die Mütter im Kindbett tötet.«
Ohne Jede Spur
Aus Rücksicht auf Hedwigs Zustand war Otto mit seinem Gefolge diesmal sehr zeitig zum Hoftag aufgebrochen. So mussten sie nicht zu lange Wegstrecken zurücklegen und konnten zwischendurch auch einen Rasttag einlegen – wie jetzt im Kloster Chemnitz, dessen Vogt Markgraf Otto war.
Der Infirmarius bemühte sich nach besten Kräften um Hedwig. Doch der Markgraf war hin und her gerissen, ob er noch einen Tag ausharren sollte, bis es seiner Frau wieder besserging, sie zurück nach Meißen schicken oder gar vorübergehend im Kloster lassen sollte.
Der Kaiser hatte seine Fürsten nach Hermsdorf in Thüringen gerufen. Das war längst nicht so weit entfernt wie Mainz oder Worms. Deshalb hatte auch Hedwig gehofft, dass sie die Strecke bewältigen konnte, denn bei diesem Hoftag würden Entscheidungen getroffen werden, die ihre Familie in besonderem Maß berührten. Ihr Bruder Hermann und der junge Landgraf von Thüringen führten mittlerweile einen offenen Krieg gegeneinander. Und es galt, das Verhältnis zu Böhmen zu klären, wassie nun unmittelbar anging, denn einer der Söhne des einstigen Böhmenkönigs Sobeslaw war inzwischen mit ihrer erst vierjährigen Tochter Sophia verheiratet. Ulrich, ihr Schwiegersohn, der nun in Meißen im Exil lebte, reiste mit ihnen. Sein ältester Bruder war Gefangener des jetzigen böhmischen Königs, der ohne Zustimmung der Böhmen und des Kaisers von seinem Vater die Krone bekommen hatte. Der Kaiser aber wollte die Unterstützung der Böhmen, der Ungarn und der Polen für seinen bevorstehenden Italienfeldzug und schien nicht abgeneigt, Ulrich zum neuen böhmischen Herrscher zu erklären. Nicht schlecht, dachte Otto anerkennend, als er sich erinnerte, dass es einst Hedwigs Idee gewesen war, die kleine Sophia mit Ulrich zu verloben. Hauptsache, seine Gemahlin fühlte sich bald wieder kräftig genug, um die Reise fortzusetzen und den Hoftag nicht zu verpassen.
Christian leitete während des Aufenthaltes in Chemnitz wie üblich gemeinsam mit Arnulf die Waffenübungen der Knappen von Markgraf Ottos Rittern.
Gerade führte er mit Lukas ein gewagtes Manöver vor, durch das man den Gegner besiegen konnte, wenn die Schwertklingen aneinander bis zu den Parierstangen geglitten waren.
»Ihr müsst blitzschnell sein«, schärfte Christian den Jungen ein, als er aus dem Augenwinkel einen Reiter in hohem Tempo auf sie zukommen sah.
Bald war der Reiter dicht genug heran, dass er ihn als einen Mann aus Raimunds Gefolge erkannte. Die Hast, mit der er sich näherte, und der düstere Ausdruck auf seinem Gesicht ließen Christian sofort Schlimmes befürchten.
Herr im Himmel, lass Marthe und den Kindern nichts geschehen sein!, war alles, was er jetzt noch denken konnte.
»Haltet ein und wartet«, rief er den Burschen zu, die verwundertdie Schwerter sinken ließen. Zwar rissen sich alle Knappen um Übungsstunden bei Christian und Lukas, doch die beiden Ritter waren für ihre Strenge bekannt. Nichts außer einer dringenden Order des Markgrafen hätte sie zu einer Unterbrechung des Unterrichts veranlassen können.
Christian und sein Freund waren indessen schon auf dem Weg zu dem staubbedeckten Reiter, der sein Pferd zügelte und absprang.
»Eure Frau, Christian … Man hat sie verhaftet und nach Meißen gebracht. Sie soll wegen Hexerei vor ein Kirchengericht«, stieß der Bote schwer atmend hervor.
Christian fühlte den Boden unter seinen Füßen wanken.
Lukas trat einen Schritt näher, legte ihm eine bleischwere Hand auf die Schulter und fragte den Boten: »Wann? Und was wirft man ihr vor?«
»Vor drei Tagen. Sie haben sie schon in der Halle in Fesseln gelegt.«
Dieser Satz machte Christians letzte Hoffnung zunichte. Wenn Marthe trotz ihres Standes in Ketten fortgeführt wurde, war ihr Tod beschlossene Sache.
»Mehr wissen wir nicht«, fuhr
Weitere Kostenlose Bücher