Die Spur der Hebamme
Winde verstreut ist, flehte er in Gedanken.
»Nein, nein, Herr, sie ist nicht tot«, erzählte die Magd aufgeregt.»Sie versank im Fluss, wie es bei einer wahren Christin geschieht. Doch als die Männer sie herauszogen, ist sie wieder zum Leben erwacht. Ein Wunder! Da waren wir Frauen uns einig. Das Kirchengericht hat dann gestritten, ob das nun ein Zeichen für ihre Unschuld war oder Gott nur die Seele ihres ungeborenen Kindes retten wollte. Deshalb haben sie sie wieder in den Bischofspalast gebracht. Bischof Martin selbst soll nun entscheiden.«
Christian warf der Frau ein Geldstück zu und gab seinem Grauschimmel das Zeichen zum Galopp.
»Wie es heißt, ist der Bischof wegen dieser Sache gestern vorzeitig von einer Reise zurückgekehrt«, rief ihm die Frau nach.
Christians Gedanken rasten. Vielleicht lebte Marthe doch noch! Aber in welchem Zustand? Und was taten sie ihr gerade in diesem Moment Furchtbares an?
Oder hatte der Bischof gestern gleich nach seiner Ankunft ihren Tod befohlen? Wenn nicht, dann konnte er es jeden Augenblick tun.
Zum ersten Mal nahm er keine Rücksicht auf sein Pferd, sondern trieb Drago in höchstem Tempo den Burgberg hinauf. Die Menschen drückten sich ängstlich an die Mauern der Häuser und bekreuzigten sich, als sie einen Reiter wie von Teufeln gehetzt durch die gewundenen Gassen preschen sahen.
Christian ließ Drago gesattelt und schweißbedeckt einfach auf dem Hof stehen und stürmte in den Bischofspalast.
»Ich muss sofort den Bischof sprechen«, rief er den Männern zu, die die Tür zum Audienzsaal bewachten. Als sie keine Anstalten machten, den Weg freizugeben, besann er sich und fügte etwas gemessener an: »Ich bringe eine dringende Botschaft des Markgrafen.«
Einer der Wachen verschwand hinter der Tür. Eine Ewigkeitschien zu vergehen, bis er zurückkam und Christian einließ.
Mit großen Schritten durchquerte der Ritter den Saal, sank in gebührendem Abstand vor dem Bischof auf ein Knie und neigte den Kopf.
»Entfernt Euch«, ertönte die kühle Stimme des Bischofs.
Verzweifelt sah Christian auf. Doch dann merkte er, dass nicht er gemeint war, sondern die anderen im Saal Anwesenden, die nun eilig hinausgingen.
Als der Letzte die Tür hinter sich geschlossen hatte, betrachtete der Bischof – deutlich jünger als sein verstorbener Vorgänger und als ehrgeizig und eiskalt berechnend bekannt – wortlos den vor ihm Knienden.
»Ihr seid Christian von Christiansdorf, nicht wahr?«, sagte er schließlich. »Ich habe Euch schon erwartet.«
»Ehrwürdigster Bischof!« In seiner Verzweiflung wusste Christian nicht, wie er am klügsten vorgehen sollte, doch er konnte seine Worte weder abwägen noch zurückhalten. »In Euren Verliesen wird meine Frau unter falscher Anklage gefangen gehalten. Ich weiß nicht, wer sie verleumdet hat, aber ich weiß eines: Sie ist unschuldig. Ich flehe Euch an, bei Gott und allen Heiligen, lasst sie frei.«
»Habt Ihr nicht meinen Wachen gegenüber behauptet, Ihr hättet einen Brief des Markgrafen für mich?«, fragte der Bischof scharf. »Wie wollt Ihr Gnade finden für Euer Weib, wenn Ihr Euch selbst Zutritt mit einer dreisten Lüge verschafft?«
Hastig zog Christian Ottos Schreiben hervor, während er in Gedanken Hedwig für ihre Umsicht dankte.
Der Bischof bedeutete ihm mit einer Handbewegung, aufzustehen und das Pergament auszuhändigen. Nachdem Christian das Schriftstück übergeben hatte, kniete er erneut nieder und wartete, während Bischof Martin sich in das Schreiben vertiefte.
Herr im Himmel, lass sie noch am Leben sein, betete Christian stumm, während er auf das Muster des Steinfußbodens starrte.
»So.« Mehr sagte der Bischof nicht, nachdem er gelesen hatte.
Christian hob den Blick und versuchte im Gesicht des Klerikers eine Antwort auf die Frage zu finden, die ihn beinahe zerriss.
»Ich muss zugeben, Euer Eheweib hat uns vor einige Rätsel gestellt«, sagte Martin schließlich. »Erst konnten sich die besten kirchlichen Autoritäten der Diözese nicht einigen, ob der Ausgang der Wasserprobe nun als Beweis ihrer Schuld oder Beweis ihrer Unschuld zu werten ist.«
Der Bischof machte eine Pause und beobachtete genau Christians Gesicht.
»Und dann ist sie aus einer verschlossenen Kerkerzelle spurlos verschwunden.«
»Verschwunden? Wie das?«
»Ich hoffte, Ihr könntet mir das sagen«, entgegnete der Bischof kühl und erhob sich von seinem Stuhl. »Begleitet mich.«
Während zwei Männer mit Fackeln vorangingen, stiegen
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