Die Spur des Boesen
Stunde nicht mehr geatmet.
»Du bist so ein Arschloch«, schimpfte sie. »Du hättest uns...«
»Gib mir mein Geld zurück«, verlangte Corso.
Sie zog den Packen aus ihrer Jeans und ließ ihn in seinen Schoß fallen. »Verdammtes Arschloch.«
»Los, suchen wir diesen Rosen«, sagte er nur.
»Wir waren auf dem Postamt«, erklärte Corso. »Dort hat man uns gesagt, dass nach Smithville keine Post mehr ausgeliefert wird. Es hieß, die Postleitzahl gibt's gar nicht mehr.«
»Das Postamt in« — sie blickte zu Corso — »welcher Stadt?«
»Suffern, New York«, kam ihr Corso zu Hilfe.
»Es hieß, wir sollten uns hier auf dem Gemeinde-College bei Ihnen erkundigen. Sie seien hier vor Ort der Spezialist auf diesem Gebiet.«
Er hieß Randy Rosen. Dozent für Geschichte am Ramapo Valley College, New Jersey. Irgendetwas über fünfzig. Unreine Haut und eine Nase, die für ein viel größeres Gesicht gedacht war. Er hatte sich für das bedürftige Aussehen eines Akademikers entschieden: dichtes, graublond meliertes Haar, das dringend eines Friseurs bedurfte; fadenscheinige Sportjacke mit Fischgrätenmuster, die dringend einer Reinigung bedurfte; vollgestopftes, kleines Büro, das dringend eines Feuers bedurfte. »Wir sind kein Gemeinde-College mehr. Wir haben unsere volksnahen Anfänge hinter uns ge-lassen. Heute sind wir« — mit den Fingern deutete er Anführungsstriche an — »ein College mit allem Drum und Dran.« In seiner Stimme schwangen Bitterkeit und Enttäuschung mit, wie sie typisch für Akademiker in der Sackgasse waren, für Menschen, deren bescheidene Stellung und Aufgaben die letzte Sprosse ihrer Karriereleiter darstellten. Weiter würden sie es nicht bringen können.
Rosen lehnte sich zurück und blickte die beiden an. »Wenn Sie von Smithville reden, meinen Sie die J ackson Whites.«
»Was ist das?«, fragte Dougherty und blickte zu Corso. Die Formulierung »Jackson Whites« hatte auch der Mann auf dem Postamt verwendet.
»Hängt davon ab, wen Sie fragen«, antwortete Rosen. »Es gibt eine Reihe von Mythen und Legenden, was den Ursprung der Menschen dort betrifft.« Wieder blickte er sie an, als würde er ein neues Paar Augen ausprobieren. »Dürfte ich fragen, warum Sie das interessiert?«
Corso erzählte, während Rosens Ausdruck von distanziertem Vergnügen zu gespannter Aufmerksamkeit wechselte. »Und Sie glauben, dieses Mädchen... natürlich, heute ist sie eine Frau mittleren Alters... Sie glauben, sie könnte aus Smithville stammen?«
»Das halte ich für möglich«, antwortete Corso.
Rosen lehnte sich zurück und verschränkte die Finger vor seiner Brust, während er die Information verarbeitete. Corso brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was Rosen dachte: Könnte eine Monographie draus werden. Vielleicht auch ein ausführlicher Vortrag. Irgendetwas, das ihn aus dieser akademischen Hölle katapultieren könnte, eine letzte Rakete für seine im Sande verlaufende Karriere. Vielleicht war sogar irgendwoanders ein eigener Lehrstuhl drin.
»Um welches Jahr handelt es sich?«, wollte Rosen wissen.
Corso dachte nach. »Ich denke Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger«, sagte er. Rosen versuchte zwar, es zu verbergen, doch Corso schien mit seiner Antwort Öl ins Feuer gegossen zu haben.
»Wo fangen wir an?«, fragte er.
»Was ist ein Jackson White?«, fragte Corso.
»Vor allem eine freundliche Ausdrucksweise für Nigger.«
»Ich wusste nicht, dass es dafür eine freundliche Ausdrucksweise gibt«, meinte Dougherty.
»Jackson Whites ist eine Verballhornung von jacks and whites «, erklärte Rosen. »Jacks wurden im sechzehnten Jahrhundert die Farbigen genannt.«
»Dann sind Jackson Whites also keine Weißen«, stellte Corso fest.
»Sie sind unsere lokalen Ureinwohner in den Bergen — eine Rassenmischung.«
Corso und Dougherty blickten sich an. Rosen lächelte.
»Ich weiß, was Sie denken: Ist der Kerl übergeschnappt? Wir sind in New Jersey. Mehr Einwohner pro Quadratkilometer als in jedem anderen Bundesstaat. Was soll das Gerede über isoliert lebende Ureinwohner?«
Es folgte kein Widerspruch. »Es handelt sich um einen weitläufigen Clan aus eng miteinander verwandten Familien, die in den umliegenden Bergen wohnen«, fuhr Rosen fort und legte eine künstlerische Pause ein. »Sie treiben sich schon seit dem Revolutionskrieg hier rum.«
»Sie meinen... so was wie Hinterwäldler?«, fragte Dougherty.
»Mehr oder weniger«, antwortete Rosen. »Auf jeden Fall leben
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