Die Spur des Boesen
sie isolierter als ihre Gegenstücke aus den Südstaaten und sind viel clanartiger organisiert.«
»Um welche Berge geht es?«, wollte Corso wissen.
»Die Ramapos.« Rosen erhob sich. Während er auf die Tür zuging, bedeutete er Corso und Dougherty, ihm zu folgen.
Sie durchquerten den leeren Flur und betraten ein Klassenzimmer. Rosen ging am Pult vorbei und zog eine Landkarte herunter. Corso und Dougherty traten näher. Nördliches New Jersey, südliches New York. Rosen griff in der Kreideablage zu einem altmodischen Zeigestab und zog einen imaginären Kreis. »Genau hier«, erklärte er. »Kaum zu glauben, oder? Weniger als fünfzig Kilometer von Manhattan entfernt, aber kulturell eines der isoliertesten Gebiete im ganzen Land.« Er tippte mit dem Stab auf die Karte. »Einhundert Kilometer breiter Gebirgszug, der sich zwischen den Hudson River und das nördliche Bergen County schiebt, und fast niemand weiß etwas darüber.«
»Wie kommt 's, dass diese ganze Gegend nicht erschlossen ist?«, erkundigte sich Corso. »Man würde doch vermuten, dass sich die Landentwickler schon alles unter den Nagel gerissen haben.«
»Früher war das Gebiet zu felsig und zu abgelegen, um bewirtschaftet zu werden«, antwortete Rosen. »Bis man auf die Idee kam, Ansprüche zu erheben, waren die Jackson Whites schon seit hundert Jahren da und wollten nicht wieder weg.«
»Wie sind sie überhaupt dorthin gekommen?«, fragte Corso.
»Dazu gibt es eine Reihe von Geschichten«, begann Rosen. »Eine besagt, dass die Gegend zuerst von Tuscarora-Indianern bewohnt wurde, die von Nord-Carolina kamen, um sich 1713 mit ihren Verbündeten zusammenzuschließen, den Irokesen. Anscheinend hatten sie genug davon, sich im indianisch-französischen Krieg in den Arsch treten zu lassen und nach einem Versteck gesucht. Als sie sich dort niederließen, hörten die Söhne der freigelassenen Sklaven von den Planta-gen im Hudson River Valley von dem Ort und sind zu ihnen gestoßen. Sie haben sich mit denTuscarora und einigen der örtlichen Lenni-Lenape-Indianern verheiratet. Seit der Zeit wurden sie von ihren Nachbarn Jacks andWhites genannt.«
»Wie geht die andere Geschichte?«, fragte Corso.
Rosen lehnte sich ans Pult und leierte die Geschichte herunter.
Während des Revolutionskriegs schloss die Militärführung der britischen Armee in New York mit einem Kapitän und Händler namens Jackson einen Vertrag, der dreitausendfünfhundert Prostituierte in London anwerben und nach New York bringen sollte, die in der Garnison ihren Dienste anbieten sollten. Da er nicht so viele englische Mädchen fand, die dazu bereit waren, segelte der eifrige Jackson zu den Westindischen Inseln und lud zusätzlich zu seinen englischen Prostituierten vierhundert schwarze Frauen auf sein Schiff.
Nach ihrer Ankunft in New York wurden die schwarzen Prostituierten, bekannt als die »Jackson Blacks«, von den anderen Frauen getrennt und auf einer Viehweide in Greenwich Village namens Lispenard's Meadows untergebracht. Als die Briten während des Unabhängigkeitskriegs aus New York vertrieben wurden, flohen die Frauen aus Angst vor Repressalien nach Manhattan und wanderten nordwärts zum Hudson Valley, wo sie wahrscheinlich von Deserteuren aus dem Söldnerheer hörten, dass die Ramapos ein Paradies für Tory-Flüchtlinge, holländische Abenteurer und alle anderen Sorten von Gelichter seien.
Natürlich wurden sie von ihren ehrbaren Nachbarn aus dem Tiefland verachtet, weil sie Söldner oder Tory-Sympathisanten waren oder gemischtes Blut in ihren Adern floss oder weil sie schwarz oder Indianer oder Banditen oder alles zusammen waren.
»Sie sagen also, dass diese Leute immer noch da oben leben«, schlussfolgerte Corso, als Rosen seine Erzählung beendet hatte. »Isoliert... fünfzig Kilometer entfernt von Manhattan.«
»Vielleicht fünfhundert Leute. Alle miteinander verwandt«, erklärte Rosen. »Die meisten mit holländischen Nachnamen wie de Fries, van der Donk oder Mann. So was in der Art.«
»Wenn Sie >miteinander verwandt< sagen«, begann Dougherty, »meinen Sie...«
Rosen nickte. »Die Genetik hat es mit den Jackson Whites nicht immer gut gemeint«, erklärte er. »Ihre Isolation hat einige interessante genetische Anomalien hervorgebracht. Syndactylie und Polydactylie waren ziemlich verbreitet.« Mit einer Hand deutete er auf seine andere. »Zusammengewachsene oder zu viele Finger oder Zehen.« Er zählte seine Finger. »Auch viele Menschen mit fleckiger Haut,
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