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Die Spur des Drachen

Titel: Die Spur des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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der verschwundenen Ladung geschehen ist.«

57.
    »Ich danke Ihnen für Ihr rasches Erscheinen«, sagte Latisse Matabu, nachdem die Führer der Revolutionären Einheitsfront sich gesetzt hatten. »Sie alle wissen, warum Sie hier sind, also werde ich keine Zeit vergeuden.«
    Sie hatten sich nicht im Hauptquartier der RUF in Kono getroffen, da dort die Gefahr der Spionage bestand. Stattdessen hatte Latisse Matabu ihre Kommandeure in einen zentral gelegenen Ort befohlen, der in einer Gegend lag, die von General Yancy Lananga kontrolliert wurde, dem einzigen hohen Offizier Matabus, der tatsächlich militärische Erfahrung besaß. Außerdem fand das Treffen im Schutz der Dunkelheit statt. In Sierra Leone wurde es nachts so still, dass selbst eine erfahrene Kampftruppe sich nicht nähern konnte, ohne bemerkt zu werden – falls doch, würden die Geräusche sie so früh verraten, dass genügend Zeit für eine Flucht blieb, wenn nicht über Land, dann durch die Tunnelsysteme, die auf Befehl Matabus unter sämtlichen Hauptquartieren angelegt worden waren.
    Von den zwölf Männern, die den Rat der Revolutionären Einheitsfront bildeten, fehlte lediglich einer: General Sheku Karim – derjenige, dem Latisse Matabu am wenigsten traute und mit dem sie bisher am häufigsten aneinander geraten war.
    »Die Zeit ist gekommen, die die Macht zu übernehmen«, sagte sie nun. Im Schein der Laternen erwiderte sie die Blicke der Anwesenden. Jedes hellere Licht würde aus der Luft ein verlockendes Ziel bieten; die Gerüchte, dass die Amerikaner bald Kampfhubschrauber bereitstellen würden, zeigten Wirkung. »Seit es uns vor drei Jahren nicht gelungen ist, Freetown einzunehmen, haben wir eine Strategie der Blitzangriffe angewendet und die Regierungstruppen in die Defensive gezwungen. Auch die UN-Friedenstruppen können kaum etwas ausrichten, sobald sie mit unserer Macht konfrontiert werden. Die Regierung versucht, uns mit falschen Friedensinitiativen und dem Versprechen abzulenken, uns zu unterstützen. Wir haben uns unterworfen, weil es unseren Zwecken diente. Gleichzeitig hat uns diese Handlungsweise Zeit verschafft. Fohs ful nohto ful, boht sekohn ful, na-in na ful. Wer sich einmal zum Narren halten lässt, ist kein Narr, doch wer es zweimal geschehen lässt, der ist einer.«
    Matabu wusste, dass sie jetzt die volle Aufmerksamkeit ihrer Befehlshaber hatte – eine Gelegenheit, die sie nicht ungenutzt verstreichen lassen durfte, denn die Gruppe neigte schnell zu Eifersüchteleien und Feindseligkeiten: Ungeachtet ihres gewaltigen Erfolgs war die RUF wenig mehr als ein loser Zusammenschluss von Stämmen und Familienklans, die ebenso leicht gegeneinander Krieg führen konnten wie gegen die Truppen der Kabbah-Regierung. Matabus größte Schwierigkeit bestand darin, Gemeinsamkeiten zu betonen. Der Schlüssel zu einer solchen Allianz, das wusste sie aus ihren Studien in den Vereinigten Staaten, bestand darin, keine eindeutigen Aussagen darüber zu machen, was eine solche Macht dem Einzelnen brachte. Es war sinnlos, das Fell des Bären zu verteilen, bevor der Bär erlegt war.
    Der Langzeitplan Latisse Matabus bestand darin, Sierra Leone in Distrikte aufzuteilen, die von Männern wie diesen kontrolliert würden, die jedoch wiederum einer provisorischen Regierung gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet wären – eine Regierung, an deren Spitze sie selbst stünde. In Anbetracht ihres gesundheitlichen Zustands musste dieser Plan natürlich geändert werden; aber davon brauchten ihre Befehlshaber an diesem Abend nichts zu erfahren.
    Sie hatte Angst vor Vergeltungsmaßnahmen. Sie wollte diese Männer nicht auf ihre Feinde loslassen – auf die Dörfer, die die Regierung unterstützt hatten. Wie aber konnte man die Wut und den Hass unter Kontrolle halten? Wie konnten man sie in etwas Positives verwandeln, anstatt sie zum Wegbereiter der Anarchie werden zu lassen? Die RUF musste Herz und Verstand der Besiegten gewinnen.
    »Während wir unseren hingebungsvollen Bemühungen um den Friedensprozess nachkamen, wurde unser Gegner selbstgefällig«, fuhr Matabu fort. »Sie glauben jetzt, sie hätten uns geschlagen. Sie glauben, ihre amerikanischen Waffen und Soldaten würden ausreichen, damit wir davonlaufen. Sie halten uns nicht mehr für stark genug, um sie vernichten zu können.«
    Sie hielt kurz inne, um ihre Worte wirken zu lassen.
    »Sie sind der Illusion zum Opfer gefallen, die wir aufrechterhalten haben! Deshalb werden sie nicht vorbereitet sein,

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