Die Spur des Drachen
Rebellen besetztes Gebiet schicken?«
»Sie sind weit besser ausgebildet als Ihre eigenen Truppen. Sir.«
»Es würde das Land in ein Schlachthaus verwandeln.«
»Bei allem Respekt, Sir, aber ist es das nicht schon?«
»Es sind die Zivilisten, die einen solchen Großangriff am schlimmsten zu spüren bekämen. In Sierra Leone sind schon genug unschuldige Menschen gestorben. Überlassen Sie mir die Entscheidung, was mit den nigerianischen Truppen geschieht.«
Tränen liefen dem Captain übers Gesicht. »Die Rebellen haben Major Reese den Kopf abgeschlagen! Sie haben ihm mit seinem eigenen Schwert den Kopf abgeschlagen!«
»Er wird gerächt. Sie müssen mir vertrauen, Captain«, erklärte Kabbah mit einer Gewissheit, die die Umstände Lügen straften.
Bevor Captain Marks antworten konnte, raste ein Jeep durch das offene Tor des Ausbildungszentrums und hielt. Verteidigungsminister Sukahamin stieg aus. Kabbah beobachtete, wie sein engster Vertrauter sich mit schnellen Schritten näherte. Seine Kleidung war staubig und voller Schlammspritzer. Eine amerikanische Frau, die Kabbah nie zuvor gesehen hatte, blieb im Jeep sitzen und steckte sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an. Sukahamin ging über den Boden, wo nur Stunden zuvor Männer gestorben waren oder ihr Blut vergossen hatten, doch er schien es nicht wahrzunehmen; sein glasiger Blick war der eines Menschen, der noch Schrecklicheres gesehen hatte.
»Wir müssen reden, Mister President«, schnaufte der Verteidigungsminister.
»Allerdings, Herr Minister.«
»Nein, nein – nicht über diese Sache hier, Sir«, erklärte Sukahamin und ließ den Blick über den Platz schweifen. »Über etwas anderes, viel Wichtigeres …«
54.
»Ziemlich beeindruckend«, sagte Danielle, nachdem die israelischen Soldaten Jim Black durch den Checkpoint gewunken hatten.
»Tja, Sasha hat sich eine Kommt-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte gekauft.«
»Sasha Borodin? Für den arbeiten Sie?«
Black grinste. »Schlau ist sie auch noch.«
Sasha Borodin, so viel wusste Danielle, war Russe. Er war nach Israel eingewandert, kurz nachdem er von der Anklage freigesprochen worden war, in Russland den Doppelmord an seiner Frau und einem Minister arrangiert zu haben. Es gab Gerüchte über Verbindungen Borodins zum organisierten Verbrechen, doch nie hatte ihm etwas bewiesen werden können, und Borodins zwölf Jahre in Israel waren bemerkenswert ruhig verlaufen.
Er brüstete sich öffentlich mit Schenkungen, die er Leuten zukommen ließ, deren Interessen seine eigenen entgegenkamen, und wenn er auch behauptete, keine eigenen politischen Ambitionen zu haben, unterstützte er offen Kandidaten, die sich um seine Gunst bemühten. Mehrere Länder hatte erfolglos versucht, Borodin ausliefern zu lassen, wurden von den israelischen Behörden aber immer wieder abgewiesen – schließlich hatte Borodin Schulen und Gemeindezentren in Russisch bewohnten Gegenden errichten lassen und später sogar Klein Moskau aufgebaut. Er hatte Integrationsprogramme für russische Immigranten eingerichtet und half ihnen, Arbeit zu finden, sobald sie sich niedergelassen hatten.
Viele seiner Aufträge waren einst von Palästinensern erledigt worden, die Arbeitsvisa besaßen, die ihnen täglichen Zugang nach Israel erlaubten. Später hatten die Gewalt, die Unruhen und der daraus resultierende Wechsel der israelischen Regierung dies alles jedoch geändert. Wagenkolonnen steckten an den Checkpoints von der West Bank nach Israel fest, während Kilometer entfernt Steine und Kugeln flogen. Oft behaupteten Palästinenser, sie könnten Tränengas riechen und Gewehrschüsse hören, wenn der Wind richtig stand.
Einige behaupteten sogar, Borodin hätte einen großen Teil der Gewaltausbrüche inszeniert – und würde es immer noch tun – um seinen Leuten möglichst Gewinn bringende Erwerbstätigkeiten zu sichern. Danielle dachte zurück an die Waffenlieferung, die Ben an genau dem Tag verhindert hatte, an dem sie in Ostjerusalem gewesen war. Kein Wunder, dass die russische Mafia in Israel gewillt war, mit militanten Palästinensern Geschäfte zu machen; es kam ihnen sehr gelegen.
Dass Jim Black für Borodin arbeitete, war keine Überraschung. Die russische Mafia hatte schließlich das meiste zu verlieren, wenn sie ihre Ermittlungen fortsetzten. Nicht nur wegen der Waffenschiebereien, sondern weil sie dies unter den wohl wollenden Blicken bestochener israelischer Beamter taten. Was kümmerte es sie, was in Afrika geschah?
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