Die Spur Des Feuers
wüsste nichts über Sie. Außerdem hat das Krankenhaus seine eigenen Sozialarbeiter.« Sie durchbohrte Kerry mit ihrem Blick. »Sind Sie Journalistin?«
»Nein.«
»Oder vielleicht von der Polizei?« Carmela wartete erst gar nicht auf eine Antwort. »Ich gehe nicht zurück zu meiner Mutter. Das können Sie gleich vergessen.«
»Ich bin nicht von der Polizei. Ich arbeite als Brandspezialistin für die Feuerwehr.«
»Ich habe das Gebäude nicht in Brand gesteckt.«
»Das weiß ich.«
»Ich habe auch nicht gesehen, wer es getan hat.«
»Das weiß ich auch.«
»Dann scheren Sie sich gefälligst zum Teufel!« Carmelas Augen waren mit Tränen gefüllt. »Ich will nicht mit Ihnen reden. Sie haben mich angelogen. Der Eigentümer des Gebäudes wird mir gar kein Geld geben, stimmt’s? Ich kriege Rosa nicht von diesem Scheißkerl weg.«
»Wir arbeiten dran. Es würde helfen, wenn du zugeben würdest, dass Harvey dich vergewaltigt hat.«
»Sicher.« Sie drehte das Gesicht zur Wand. »Und dann würde die Polizei meine Mutter gleich mit verhaften. Ich weiß genau, wie das läuft. Ich bin in die Bibliothek gegangen und hab das alles nachgelesen, bevor ich von zu Hause abgehauen bin.
Vernachlässigung der Aufsichtspflicht nennt man das.«
»Ich weiß, dass du deine Mutter beschützen willst, aber du musst doch zugeben, dass Rosa in Gefahr ist.«
»Ich brauche überhaupt nichts zuzugeben, Ihnen gegenüber schon gar nicht. Ich hab Rosa gesagt, sie soll sofort abhauen, falls Harvey ihr zu nahe kommt. Aber vielleicht passiert es ja gar nicht. Nachdem ich Mom alles erzählt hab, wird er sich vorsehen. Außerdem werde ich mich um Rosa kümmern, sobald ich hier rauskomme.«
»Okay, aber das kann noch ein paar Tage dauern. Ich glaube, wir müssen jetzt sofort eine Möglichkeit finden, Rosa von zu Hause wegzuholen.« Kerry hob eine Hand, als Carmela sie entsetzt ansah. »Ohne deine Mutter mit der Polizei zu konfrontieren.«
Carmela starrte sie ungläubig an. »Und warum würden Sie das tun?«
»Himmel, Herrgott, Carmela, vielleicht kann ich einfach den Gedanken nicht ertragen, dass ein junges Mädchen missbraucht wird. Ist das so schwer zu glauben?«
»Woher soll ich das wissen. Ich kenne Sie doch gar nicht. Und ich glaube nicht, dass die Feuerwehr für diese Art von Fürsorgearbeit zuständig ist.«
Gott, war das Mädchen misstrauisch!, dachte Kerry. Eigentlich verständlich. Sie hatte nicht viel Gelegenheit gehabt, Vertrauen zu entwickeln, und ausgerechnet die Person, die ihr am nächsten stand, hatte sie verraten. Vielleicht sollte sie Carmela einfach die Wahrheit sagen.
»Nein, dafür ist die Feuerwehr nicht zuständig. Wir helfen, wo wir können, aber du bist ein außergewöhnlicher Fall. Und für mich ist das eine ganz persönliche Angelegenheit.« Sie ließ einen Augenblick verstreichen. »Der Mann, der das Gebäude angezündet hat, wollte dich in den Flammen sterben lassen.«
»Sie sind ja verrückt. Kein Mensch wusste, dass ich da drin war.«
»Trask wusste es. Er hat mich angerufen und mir deinen Namen genannt. Er hat dich sogar beschrieben.«
»Trask? So heißt der Mann?«
»James Trask.«
»Aber warum wollte er mich töten?«
»Mit dir hat das gar nichts zu tun. Es geht um mich. Er ist …
auf mich fixiert. Er wusste, dass ich es nicht ertragen würde, wenn ein junges Mädchen in einem Feuer ums Leben kommt, und er wollte, dass ich dich kennen lerne, damit dein Tod mich noch tiefer trifft.«
Dann fügte sie sanft hinzu: »Sein Plan hat funktioniert. Ich habe mich dir sehr nahe gefühlt, als wir das Lagerhaus gesucht haben.«
Carmela schwieg eine Weile. »Wirklich?«
»Ja, wirklich.«
»Aber ich verstehe immer noch nicht, warum er mich töten wollte. Ich hab dem Mann doch nichts getan.«
Kerry konnte nachvollziehen, dass Carmela Trasks Beweggründe nicht hinnehmen konnte, schließlich ging es ihr nicht anders. »Wie gesagt, er wollte mich damit treffen. Ich bin diejenige, die er verletzen wollte.«
»Also, mich hat er auch verletzt. Der Typ muss ja völlig irre sein.« Sie zögerte. »Glauben Sie, er wird nochmal versuchen, mich zu –«
»Nein, das glaube ich nicht. Aber für alle Fälle lassen wir dich von einem Wachmann beschützen.«
»Wahnsinn!« Carmela schüttelte angewidert den Kopf.
»Laufen Sie öfter solchen Typen über den Weg?«
»Nein, solchen nicht.« Sie hatte Carmela genug gesagt, sie brauchte ihr keine Einzelheiten zu erzählen, die ihr nur Angst machen würden. »Aber
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