Die Spur des Verraeters
stürmte auf Sano los. Polizisten nahmen ihm die Schwerter weg, fesselten ihm die Hände und fügten die Leitern zu einem Käfig zusammen, in den Sano gesperrt wurde.
»Morgen beginnt die Verhandlung gegen Euch«, sagte yoriki Ota und bedachte Sano mit einem triumphierenden Grinsen. »Bis dahin werdet Ihr die ausgesuchte Gastlichkeit im Gefängnis von Nagasaki genießen.« Er klatschte seinem Pferd die Zügel an den Hals und bedeutete seinen Untergebenen, ihm zu folgen. »Gehen wir!«
Wie ein Tier im Käfig, von seinen Peinigern verhöhnt und verspottet, mit Stöcken gepeinigt und darauf gefasst, in Verzweiflung und Schande sterben zu müssen, machte Sano sich auf den langen und qualvollen Marsch zum Gefängnis in Nagasaki.
32.
D
as Tribunal kam in der Empfangshalle der Villa zusammen, in der die drei Magistraten für die Dauer ihres Aufenthalts in Nagasaki wohnten. Das bleiche Licht des frühen Morgens war noch so schwach, dass es kaum zwischen den Fenstergittern hindurchdrang. Laternen warfen ihren düsteren gelben Schein auf die drei älteren Männer, die ganz in Schwarz gekleidet waren: schwarze Kappen, Samuraischwerter, die in schwarzen Scheiden steckten und schwarze zeremonielle Umhänge und Wappenröcke mit dem Abzeichen der Tokugawa. Während die Magistraten auf einem Podium saßen, knieten Schreiber und Gerichtsbeamte hinter Schreibpulten. Soldaten bewachten die Türen. Ein Wandgemälde in dunklen, angelaufenen Farben zeigte berittene Bogenschützen, die einen Tiger durch einen Wald jagten.
Sano, der Angeklagte, trug einen schmutzigen Kimono aus Musselin und kniete vor dem Podium auf einer Strohmatte, die auf dem shirasu ausgebreitet lag, dem weißen Sand der Wahrheit, mit dem ein Teil des Fußbodens bedeckt war.
»Die Verhandlung gegen sôsakan Sano Ichirō ist hiermit eröffnet«, sagte der vorsitzende Magistrat, der zwischen seinen beiden Amtskollegen hinter einem niedrigem Tisch saß, auf dem sich Schriftrollen stapelten. Der Mann war vielleicht sechzig Jahre alt und hatte ein langes, kantiges Gesicht, ein vorstehendes Kinn und ausgeprägte Wangenknochen. Er war schlank und kräftig für sein Alter und saß in straffer, gerader Haltung auf dem Podium. »Meine beisitzenden Richter in diesem Fall sind die Magistraten Segawa Fumio aus Hakata und Dazai Moriya aus Kurume.« Er verbeugte sich in Richtung der beiden Männer, die neben ihm saßen, während die Schreiber seine Worte notierten. Noch immer war das Dröhnen der Kriegstrommeln zu hören, das wie der Herzschlag eines Ungeheuers in den Hügeln über der Stadt erschallte. »Den Vorsitz als oberster Richter führe ich, Takeda Kenzan aus Kumamoto.«
Sano wurde die Kehle eng, als er diesen Namen hörte: Takeda war für seine harten Urteilssprüche bekannt und dafür, dass er nahezu hundert Prozent der Angeklagten verurteilte. Über die beisitzenden Richter wusste Sano nichts; sie waren seine größte Hoffnung auf einen Freispruch, doch ihre unbeteiligten Gesichter verrieten keinerlei Interesse an seiner Person.
»Der Angeklagte wird in sechs Punkten des Verrats beschuldigt«, fuhr der oberste Richter Takeda fort. »Der Leitung eines Schmugglerringes, der Belästigung japanischer Bürger, der widerrechtlichen Beschaffung von Waffen bei den Holländern, der gemeinschaftlichen Verschwörungen mit den Holländern mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen, des Versuchs der Anwerbung militärischer Hilfe durch die Chinesen und schließlich der Ausübung des christlichen Glaubens.«
Als Sano diese Anschuldigungen widerlegen und die Richter bitten wollte, ihm die Gelegenheit zu geben, die wirklichen Verbrecher zu ergreifen, gelang es ihm nicht; seine Gedanken waren von Schmerz, Müdigkeit und Besorgnis umwölkt. Er hatte eine grauenhafte Nacht in einer schmutzstarrenden Gefängniszelle hinter sich. Die Wächter hatten ihm Reis und Wasser verweigert, und jeder Samurai aus der Stadt und dem Umland schien zum Gefängnis gekommen zu sein, um den höchstrangigen Häftling zu verhöhnen, der jemals in Nagasaki eingesessen hatte. Der qualvolle Weg zum Gerichtssaal hatte Sanos Kraft weiter geschwächt und seinen Stolz verletzt: Die Wärter hatten ihn gezwungen, in dem Leiterkäfig an der johlenden Menge vorüberzugehen, die mit Steinen und Abfällen nach ihm warf. Seine verletzte Schulter schmerzte; seine Prellungen pochten; er roch nach Schweiß und wusste, dass sein Erscheinungsbild die Richter ebenso sehr gegen ihn einnehmen würde wie die Lügen, die über
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