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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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musste ich ihm jedes Mal die brennende Pfeife an den Arm drücken, wenn er irgendetwas sagen wollte, um zu verhindern, dass er die Familie des Statthalters beleidigte.«
    Wenngleich er den bohrenden Wunsch verspürte, seine Waffen an sich zu nehmen und zu verschwinden, musste Hirata lachen, als er sich dieses Bild vorstellte. »Aber Ihr konntet Iishinos Probleme ja nicht für immer verbergen«, sagte er. »Und die Familie Nagai hätte bestimmt einen geeigneteren Ehemann für das Mädchen finden können, auch wenn bei ihrer Geburt die Sterne ungünstig standen. Weshalb hat die Familie Nagai Iishino als Bräutigam akzeptiert?«
    »Aus dem gleichen Grund, aus dem der Statthalter und andere hohe Beamte ihn dulden: Iishino erkauft sich die Gunst der Leute, auf die er Eindruck machen will, mit Geschenken.«
    Das konnte die Erklärung dafür sein, dass Iishino Darlehen brauchte. Wahrscheinlich lieh er sich das Geld, um davon die Geschenke zu kaufen, und zahlte seine Schulden zurück, wenn er seinen Anteil am Gewinn aus den Schmuggelgeschäften kassiert hatte. Vielleicht hatte Pfingstrose ihn dabei beobachtet, wie er heimlich Waren von Deshima fortschaffte. Doch Iishino hatte kein offensichtliches Motiv, Jan Spaen zu ermorden, und es gab auch keine Hinweise, die ihn mit den Morden an Jan Spaen und Pfingstrose in Verbindung brachten. Und ohne solche Hinweise würde das Tribunal niemals glauben, dass Iishino Sano die Schuld an den Verbrechen in die Schuhe geschoben hatte.
    »Bitte verzeiht, dass ich erzähle und erzähle«, sagte Frau Kihara. »Reden wir jetzt über Euch. Wer sind Eure Eltern? Wie hoch ist Euer Einkommen? Könnt Ihr damit rechnen, beerbt zu werden? Sagt es mir, nur keine Schüchternheit. Jede seriöse Familie wird diese Informationen verlangen, bevor sie auch nur in Erwägung zieht, Euch als Schwiegersohn zu akzeptieren.«
    Gerade als Hirata sich fragte, wie er einen geschickten Abgang machen konnte, hörte er Schritte und Männerstimmen auf dem Flur: »… ein Flüchtiger … wahrscheinlich als doshin verkleidet … ja, angeblich wurde er in dieser Gegend gesehen …«
    Entsetzt sprang Hirata auf, stürmte zur Tür und griff unbewusst nach seiner jitte und dem Schwert – die beide noch im Regal in der Eingangshalle lagen.
    »Was ist denn los, junger Herr?« Vor Erstaunen fiel Frau Kihara die Pfeife aus dem Mund. »Wo wollt Ihr hin?«
    »Verzeiht, gnädige Frau!«, stieß Hirata hervor und riss die Schiebetür des Hinterausgangs zur Seite. Entsetzen überschwemmte ihn, als er drei Samurai sah, die den Garten durchsuchten. Einer war der kleine, dickliche Wachsoldat aus Sanos Villa. Hirata sprang zurück ins Zimmer, doch es war zu spät.
    »Da ist er!«, rief der Wachsoldat.
    Er und die beiden Samurai stürmten auf Hirata los. Gleichzeitig rannten vier weitere Männer mit gezückten Schwertern durch den Vordereingang ins Haus. Hirata saß in der Falle.
    »Wie könnt Ihr es wagen, meine Gäste anzugreifen!«, fuhr Frau Kihara die Soldaten an. »Verschwindet!«
    »Dieser Mann ist ein flüchtiger Verbrecher«, sagte der Anführer des Trupps. Dann wandte er sich Hirata zu. »Macht keine Dummheiten, dann geschieht Euch nichts.«
    Als die Soldaten sich ihm näherten, verschmolzen Hiratas wirbelnde Gedanken zu einer weißglühenden Sonne wilder Entschlossenheit. Nie und nimmer würde er sich in eine Zelle sperren lassen, während die Feinde seines Herrn auf freiem Fuß waren. Er packte das Holzkohlebecken, wirbelte herum und schleuderte den Angreifern die heißen Kohlen und glühende Asche entgegen.
    Sie sprangen zurück, pressten schreiend die Hände auf die Gesichter. Frau Kihara kreischte. Über glühende Kohlenstücke hinweg, die Löcher in die Stoffsohlen seiner Gästepantoffeln brannten, stürmte Hirata zur Hintertür – und blieb wie angewurzelt stehen, als er weitere Soldaten sah, die im Garten ausschwärmten. Er rannte ins Zimmer zurück, wo die verletzten Männer ihm den Weg zum Haupteingang versperrten.
    »Halt!«, riefen sie und griffen nach ihm.
    Eine Wand des Zimmers bestand aus durchscheinendem Papier, das mit dünnen Holzstreben verstärkt war. Hirata legte schützend die Arme vors Gesicht und sprang. Holz krachte und splitterte, und Papier zerriss, als er die Wand durchbrach. Dann rannte er die Gänge hinunter, durch Wohnräume, Küchen und Schlafkammern. Verängstigte Diener sprangen zur Seite. Mit polternden Schritten verfolgten die Soldaten den flüchtenden Mann. Hirata war schweißgebadet, und

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