Die Spur des Verraeters
Laden gekommen. Ihre tätowierten Arme hatten erkennen lassen, dass sie Verbrecher waren. Als sie von Urabe ein großes Paket entgegennahmen und mit Münzen bezahlten, die an einer Kordel aufgereiht waren, hatte Hirata förmlich gerochen, dass hier ein krummes Geschäft abgewickelt wurde. Außerdem hatte ein Geldverleiher einen Großteil der Waren Urabes zur Begleichung alter Schulden eingefordert; Urabe steckte offenbar in großen finanziellen Nöten. Und falls die drei Ganoven sich auf dem Schwarzen Markt betätigten, musste Urabe die nötigen Verbindungen haben, auf diese Weise Schmuggelware an den Mann zu bringen …
Schließlich waren Soldaten erschienen und hatten den Laden durchsucht; Hirata war ihnen mit knapper Not entkommen. Seitdem waren Stunden vergangen. Hirata hatte zwar überlebt, aber damit war Sano leider nicht geholfen.
Wieder hörte er das Unheil verkündende Geräusch marschierender Schritte und flüchtete auf den Marktplatz. Stände boten den Händlern, ihren Kunden und den Waren Schutz vor dem beständigen Regen. Der Geruch von Gebratenem stieg Hirata in die Nase und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ausgehungert ging er zu einem der Stände, an dem gegrillte Meeresfrüchte am Spieß verkauft wurden.
»Gebt mir fünf Spieße«, sagte Hirata zum Verkäufer. »Und eine große Schüssel Reis.«
Der Verkäufer schob Hirata über die Ladentheke ein Tablett zu. »Das macht zehn Kupferstücke, Herr.«
»Ich bin Vertreter des Gesetzes!«, sagte Hirata und schüttelte seine jitte . »Ich brauche nicht zu bezahlen.«
Der verängstigte Verkäufer wandte sich rasch wieder seinen Spießen zu, während Hirata das Essen hinunterschlang, wobei er voller Scham an die Worte seines Vaters denken musste: »Ein ehrenhafter doshin missbraucht seine Macht nicht; dann wäre er nicht besser als die Verbrecher, die er jagen soll.«
Doch Hirata sagte sich, dass sein Auftrag in diesem Fall einen Diebstahl rechtfertigte und dass die Pflicht gegenüber seinem Herrn alle Bedenken aufwog. Nachdem er die Spieße verschlungen hatte, presste er einem Getränkeverkäufer auf die gleiche Weise eine Schale Tee ab. Als sein Hunger gestillt und sein Durst gelöscht war, kehrten Hiratas Kraft und sein Einfallsreichtum wieder. Vorsichtig setzte er seinen Weg fort, wobei er den Soldaten und Polizisten aus dem Weg ging.
Gespräche mit Anwohnern der Straße, an der Ohira wohnte, erbrachten nichts Interessantes über den Kommandanten, außer dass er auf großem Fuß lebte und den Ruf eines strengen und gesetzestreuen Offiziers besaß. Hirata fand keinen Beweis, dass Ohira vom Schmuggel holländischer Waren profitiert hatte. Als Hirata die Anwohner um Auskünfte über Dolmetscher Iishino bat, sagten sie ihm: »Da solltet Ihr zu Frau Kihara gehen, der Gattin des Schatzmeisters der Stadt. Sie war die Mittlerin bei der Hochzeit Iishinos, und sie ist dafür bekannt, dass sie angehende Ehegatten sehr genau unter die Lupe nimmt.«
Die Leute erklärten Hirata den Weg zu dem Hügel unterhalb des Palasts von Statthalter Nagai. Boten und Schreiber und Sänftenträger eilten über die breiten Prachtstraßen; berittene Offiziere und Diplomaten gelangten durch bewachte Tore auf die von Mauern umgebenen Anwesen der hohen Beamten Nagasakis; Kaufleute unterhielten sich über Preise, Gewinne und die Steuern bei eingeführten und ausgeführten Handelsgütern. Weder eine Menschenjagd in der ganzen Stadt noch die Drohung eines Krieges konnten den Handel mit dem Ausland unterbinden oder die bürokratische Maschinerie zum Stillstand bringen, die diesen Handel in Gang hielt.
Hirata ging mit scheinbar zielbewussten Schritten durch dieses Stadtviertel, als er wäre er in einer geschäftlichen Angelegenheit unterwegs. Doch sein geschulter Instinkt für Gefahren warnte ihn; unablässig heulten die Warnsirenen in seinem Kopf, und die Blicke der Passanten fühlten sich an wie Messerstiche. Hirata beruhigte sich damit, dass seine Uniform eine angemessene Verkleidung sei und niemand damit rechnen würde, dass ein flüchtiger Mann die Dreistigkeit besaß, sich geradewegs ins Machtzentrum Nagasakis zu begeben. Hier waren die Soldaten zwar nicht so zahlreich, doch nur Hiratas Entschlossenheit, seinen Herrn zu schützen, hielt ihn davon ab, Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen.
Schließlich entdeckte er das Anwesen mit dem viereckigen Wappen über dem Tor und sagte dem Wächter, der dort auf Posten stand, er wolle Frau Kihara sprechen. Der
Weitere Kostenlose Bücher