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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Wächter ging offenbar davon aus, dass Hirata ein Heiratskandidat und Kunde seiner Herrin sei und rief einen Diener, der Hirata durch den Garten zur Veranda vor dem Eingang der Villa führte.
    »Eure Schuhe und Waffen bitte, Herr«, erinnerte der Diener ihn höflich.
    Jede Faser seines Inneren sträubte sich dagegen, seine Sandalen auszuziehen und seine jitte und das Schwert in der Eingangshalle zu lassen, wie die guten Sitten es verlangten. Was war, wenn plötzlich Soldaten das Haus durchsuchten, während er sich bei Frau Kihara aufhielt? Schließlich aber streifte Hirata widerwillig seine Sandalen ab, zog Gästepantoffeln an und legte seine Waffen auf ein Regal, wohl wissend, dass er durch eine Weigerung Misstrauen erregen würde. Dann geleitete der Diener Hirata ins Haus. Aus einem Zimmer am Ende des Flurs erklang eine tiefe, raue Stimme und sagte:
    »Ich brauche einen vollständigen Bericht über diesen Jungen aus der Familie Ono. Überprüft sämtliche Läden und Geldverleiher, und findet heraus, wie hoch die Schulden des Burschen sind.« Die Stimme wurde von einem rasselnden Husten unterbrochen; dann fuhr sie fort: »Schaut Euch auch im Vergnügungsviertel um, und stellt fest, ob der Junge dort eine Geliebte hat. Fragt seinen Vorgesetzten, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er im Amt noch höher aufsteigt. Und stellt fest, wer seine Freunde sind und ob diese Freunde jemals mit dem Gesetz in Konflikt gerieten.«
    Hiratas Stimmung hob sich. Gespannte Erwartung erfüllte ihn. Wenn diese Stimme Frau Kihara gehörte, musste sie so ziemlich alles über die Leute wissen, deren Ehen sie vermittelte. Hirata folgte dem Diener ins Empfangszimmer, dessen papierene Wände in gelbem Lampenlicht erstrahlten. Ein Samurai, der das Wappen der Kiharas auf der Kleidung trug, kam Hirata entgegen – offenbar war er der Mann, den Frau Kihara soeben entsandt hatte. Der Diener führte Hirata ins innere Zimmer und verkündete: »Herr Watanabe Monemon wünscht Euch zu sprechen, gnädige Frau«, wobei er den Tarnnamen benützte, den Hirata ihm genannt hatte.
    Es war sehr hell und warm im Zimmer, und die Luft war von Rauch erfüllt. Auf einem niedrigen Tisch standen brennende Öllampen, und ein Holzkohlebecken strahlte starke Hitze ab. Qualmend stieg die Feuchtigkeit aus Hiratas Kleidung. Frau Kihara erwies sich als untersetzte Dame von vielleicht sechzig Jahren mit ungesunder, bleicher Gesichtsfarbe. Sie kniete auf einem Stapel seidener Kissen inmitten von Nähzeug; vor ihr lag eine halb fertige Seidenstickerei, die eine Wachtel auf einer Wiese zeigte. Das runde Gesicht Frau Kiharas war so zerfurcht und faltig wie eine gesalzene Pflaume. Der Rauch im Zimmer stammte aus ihrer langen silbernen Pfeife, die sie in einem Mundwinkel stecken hatte. Sie zeigte den Anflug eines Lächelns, wobei zu sehen war, dass mehrere ihrer kosmetisch geschwärzten Zähne fehlten.
    »Ihr sucht nach einer Braut, junger Herr?«, fragte Frau Kihara mit ihrer rauen Stimme. Mit einem Kopfnicken wies sie auf ein Kissen und bedeutete Hirata, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Er kam ihrer Aufforderung nach. »Darf ich Euch eine Erfrischung anbieten?«
    Außer den Lampen, einer Tabakdose und Streichhölzern befanden sich ein Teetopf, Tassen und ein Tablett mit Reiskuchen auf dem Tisch. Wenngleich der Tee ebenso nach Tabakrauch schmeckte wie die Kuchen, aß und trank Hirata dankbar und genoss die Gesellschaft Frau Kiharas, die ihn an eine seiner Tanten erinnerte, die ebenfalls rauchte und sich manchmal gleichfalls als Ehestifterin betätigte. Mit einem Anflug von Trauer fragte sich Hirata, ob er diese Tante und seine anderen Verwandten jemals wiedersehen würde.
    Frau Kihara betrachtete ihn fragend. »Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal gesehen haben«, sagte sie und paffte an ihrer Pfeife. »Üblicherweise arrangiere ich Ehen nur aus Gefälligkeit – für Leute, die ich kenne. Erzählt mir von Eurer Familie.«
    Um sich nicht irgendeine Familiengeschichte ausdenken zu müssen und das Gespräch unmittelbar auf den eigentlichen Grund seines Besuchs zu lenken, sagte Hirata: »Wenngleich Ihr weder mich noch meine Familie kennt, gibt es eine Verbindung zwischen uns. Ich kenne den obersten Dolmetscher Iishino seit unserer Jugendzeit. Wir … wir haben eine Zeit lang bei dem selben Lehrer studiert«, sog Hirata sich eine Geschichte aus den Fingern, vermied dabei aber, eine zu nahe Beziehung zwischen sich und Iishino herzustellen. Vor allem hoffte er, dass Frau

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