Die Staatsanwältin - Thriller
Ordnung«, sagte ich. »Mir geht es gut, ehrlich.«
Mace James ging es nicht gut. Seine neue Strategie, Antoines Unschuld zu beweisen, war nach hinten losgegangen. Seit er die Ergebnisse hatte, versuchte Mace, die Verlässlichkeit der BEOS-Tests herunterzuspielen, aber Antoine kaufte ihm das nicht ab. Und Mace selbst fragte sich, ob er wirklich einen unschuldigen Mann verteidigte oder nur einen, der so high gewesen war, dass er sich nicht mehr an die Mordnacht erinnerte, als er den Lügendetektortest machte.
Aber was machte das schon aus? Mace hatte seine Arbeit zu tun; er hatte noch sieben Tage, um Antoines Leben zu retten. Die Debatte über die Zuverlässigkeit des BEOS-Tests und Antoines Unschuld konnte später geklärt werden. Maces Job war, dafür zu sorgen, dass sein Mandant dann noch da war.
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58
Am 1. August, am Tag, nachdem ich Antoine Marshalls Brief bekommen hatte, wachte ich auf und öffnete ihn gleich wieder. Ich las ihn noch einmal, während ich meinen Morgenkaffee trank. Die Euphorie darüber, endlich ein Geständnis des Mörders meiner Mutter zu haben, war abgeflaut. An ihre Stelle war Melancholie getreten, ein seltsames Gefühl der Mutlosigkeit, das ich nicht abschütteln konnte.
Ich war immer ehrlich zu mir selbst gewesen, sogar unnachgiebig gegenüber mir selbst â etwas, das Dr. Gillespie mir in meinen Therapiestunden auszutreiben versuchte. Es funktionierte nicht. Und an diesem Morgen bekam ich Zweifel an meinem Umgang mit den Informationen über Richterin Snowden.
Antoine Marshall war ein dreifach verurteilter Straftäter, der den Anstand besaÃ, mir einen Brief zu schreiben und Beweise aufzudecken, die sein Schicksal besiegeln konnten. Und ich, eine Anwältin, die geschworen hatte, das Recht hochzuhalten, hatte Beweise zurückgehalten, die ihm vielleicht einen Weg aus dem Todestrakt hätten ebnen können. Natürlich hatte ich viele rationale Erklärungen und Begründungen für mein Verhalten. Und in Bezug auf die Gerechtigkeit fühlte ich mich bestätigter als je zuvor. Antoine Marshall war ganz sicher der Mörder meiner Mutter. Aber rechtfertigte das die Unterschlagung von Beweisen, mit denen er vielleicht einen neuen Prozess bekommen hätte?
Das System verlangte manchmal von uns, Schuldige freizulassen, um die Unversehrtheit des Justizprozesses und der verfassungsmäÃigen Rechte aller zu schützen. Bei meiner Vereidigung als Staatsanwältin hatte mich Bill Masterson ermahnt, dass es unser Job sei, nach Gerechtigkeit zu streben und nicht nur Fälle zu gewinnen. Aber jetzt, im wichtigsten Fall meines Lebens, trieb ich Schindluder mit den Regeln.
Ich hatte keinen Appetit auf Frühstück. Die Informationen über meinen Vater quälten mich; ich bekam sie einfach nicht aus dem Kopf. Ich beobachtete Justice im Garten, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Mit den Gedanken war ich ganz woanders und überlegte, ob ich meiner Rechtschaffenheit und meinen Moralvorstellungen so geschadet hatte, dass sich meine Seele nicht davon erholen würde.
Antoine Marshalls Hinrichtung war noch sechs Tage entfernt. Was würde passieren, wenn ich Mace James jetzt diese Informationen gab? War es zu spät, als dass es noch eine Rolle spielen würde? Selbst wenn nicht, würde der Generalstaatsanwalt den neuen Brief von Antoine benutzen können, um die Auswirkungen dieser Erkenntnisse über Richter Snowden und meinen Vater zu kompensieren? Sollte ich mir überhaupt solche Fragen stellen?
Anders ausgedrückt: Konnte ich wirklich auf diesen entlastenden Beweisen sitzen bleiben und zusehen, wie der Staat Antoine Marshalls Leben ein Ende setzte?
Ich musste mit Dr. Gillespie reden. Ich rief ihn an, bevor ich zur Arbeit fuhr, und er versprach, sich für mich Zeit zu nehmen, sobald ich aus dem Gericht kam.
Später am Nachmittag sprach ich mit Chris. Er hatte auf meinem Anrufbeantworter vier Nachrichten über einen ähnlichen Brief hinterlassen, den er erhalten hatte. Ich hatte den Rückruf hinausgeschoben, denn ich wusste, es würde emotional anstrengend werden, darüber zu sprechen.
Er ging beim ersten Klingeln ran. »Hast du einen Brief bekommen?«, fragte er.
»Ja. Ich musste ihn dreimal lesen, bevor ich es begriffen habe.«
»Ich auch. Ich versuche seit gestern Abend, dich zu erreichen.«
»Ich weiÃ. Du hast vielleicht gehört, dass wir
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