Die Staatsanwältin - Thriller
sie. »Wenn Sie Mandanten unserer Beratungsstelle vertreten, handeln Sie nicht im eigenen Namen. Sie repräsentieren dadurch auch die Universität. Ich werde mir deswegen einiges von den anderen Professoren und Alumni anhören müssen.«
»Ich weiß, Sylvia. Es tut mir leid.«
»Ich brauche ein bisschen Zeit, um das zu verarbeiten. Kommen Sie morgen früh um acht in mein Büro. Vielleicht werden auch Elias und John da sein.«
Elias war der wissenschaftliche Leiter der Universität. John war Vorsitzender des Stiftungsrats der Universität und geschäftsführender Teilhaber einer großen Kanzlei in Atlanta. Es war wie ins Büro des Direktors gerufen zu werden und zu wissen, dass beide Eltern da sein würden.
»Okay«, sagte Mace. »Ich ziehe meine kugelsicheren Unterhosen an.«
»Wir sehen uns morgen«, sagte Sylvia. Es schien, als habe die Dekanin ihren Sinn für Humor verloren.
Auf dem Weg nach Jackson rief Mace ein paar Kollegen an der Uni an, um ihnen seine Seite der Geschichte zu erzählen. Außerdem ein paar Freunde, bei denen er nicht wollte, dass sie die Geschichte aus den Nachrichten erfuhren.
Sie waren schon auf seiner Seite, bevor er auch nur die Hälfte der Fakten erzählt hatte. Sein letzter Anruf, bevor er am Gefängnis in Jackson ankam, ging an seinen Pastor. Der Mann hörte geduldig zu und versprach, für Mace zu beten.
Das Gespräch, das Mace am meisten gefürchtet hatte, fand zehn Minuten später statt. Durch Glas von seinem Mandanten getrennt, einen Telefonhörer am Ohr, gab Mace Antoine einen detaillierten Bericht der Anhörung.
Antoines Augen wurden groß wie Untertassen, und Tränen begannensich darin zu sammeln, während Mace fortfuhr. Antoine hielt das Telefon fest umklammert und hatte Mühe, die Fassung zu wahren.
»Sie wissen nicht, wie viel ich gebetet habe«, sagte Antoine, als Mace fertig war. »Ich habe seit drei Tagen nichts gegessen, weil die Bibel sagt, wir sollen fasten. Warum hasst Gott mich so?«
Mace wusste, er hatte keine befriedigenden Antworten für einen Mann, der schon elf Jahre hinter Gittern verbracht hatte für etwas, das er nicht getan hatte. »Ich weiß nicht, was los ist«, gab Mace zu. »Aber ich weiß, Sie standen schon einmal nur drei Stunden vor dem Tod, und Gott hat Ihr Leben verschont. Sie sollten jetzt nicht aufgeben.«
Antoine zuckte die Achseln, seine hängenden Schultern signalisierten totale Niedergeschlagenheit. »Sie sind ein guter Anwalt, Mace. Aber Sie können nicht gegen das System gewinnen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir aufhören, es zu versuchen. Verwenden Sie Ihre Zeit auf jemanden, der eine Chance hat.«
»Ich gebe nicht auf«, versprach Mace. Er versuchte, überzeugter zu klingen, als er sich fühlte. »Ich werde jetzt erst warm.«
»Na klar«, murmelte Antoine, tief in Selbstmitleid versunken. »Vielleicht sollte ich dem Staat einfach ein bisschen unter die Arme greifen. Alle glücklich machen. Es ein für alle Mal beenden.«
Mace beugte sich vor. Hätte er durch die Glasscheibe greifen können, er hätte seinen Mandanten geschüttelt, bis er wieder zur Vernunft kam. »Sagen Sie das nie wieder!«, sagte er fest. »Wir bekommen Sie hier raus!«
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45
Als ich wieder im Büro ankam, hatte ich gerade genug Zeit, um mir meine Akten zu schnappen und rechtzeitig zum Beginn der Nachmittagssitzung im Gericht zu sein. Vor der Anhörung am Berufungsgericht war ich zu nervös gewesen, um groß zu frühstücken, und jetzt hatte ich das Mittagessen ausgelassen. In Gedanken war ich eine Million Meilen vom Gerichtsgebäude entfernt. Ich musste beweisen, dass Caleb Tate unrecht hatte, was meinen Vater anging.
Die Behauptung, mein Vater habe Richterin Snowden bestochen oder erpresst, war lächerlich. Das widersprach allem, was ich über seinen Charakter wusste. Aber Caleb Tate hatte seine Behauptung mit solcher Überzeugung vorgebracht und mich aufgefordert, es selbst nachzuprüfen. Er hatte es geschafft, einen winzigen Zweifel in mir aufkeimen zu lassen. Und dieser Keim hatte sich inzwischen zu hundert Was-wäre-wenn-Fragen ausgewachsen.
Was, wenn mein Vater bei Richterin Snowden wirklich unerklärlich gute Ergebnisse erzielt hatte, auch wenn er nichts Illegales getan hatte? Was, wenn Tate die Wahrheit über seinen ehemaligen Mandanten Rafael Rivera sagte? Was, wenn – und ich konnte es nicht fassen, dass ich mich das überhaupt fragte – mein Vater etwas gegen Richterin Snowden in der Hand gehabt hatte? Was,
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