Die Staatsanwältin - Thriller
nicht diktieren, wie die Strafe aussehen sollte.«
»Das hat auch keiner behauptet«, sagte Brown, dessen Stimme scharf wurde. »Und jetzt setzen Sie sich!«
Er setzte seine Brille auf und blätterte noch einmal die Akte durch. Alle Richter in Milton County kannten meine Familiengeschichte, und sie spielte sicherlich bei meiner Strafmaßforderung eine Rolle. Ich würde Bill Masterson später einiges zu erklären haben, aber ich brachte es einfach nicht über mich, diesen Mann so einfach aus dem Gerichtssaal spazieren zu lassen.
»Bei seinem Urteil muss das Gericht eine ganze Bandbreite von Faktoren mitberücksichtigen«, verkündete Richter Brown. Ich spielte mit meinem Kuli und beobachtete ihn konzentriert.
»Unter anderem die Frage, ob der Angeklagte weiterhin ein Risiko für die Gesellschaft darstellt, dann muss die Strafe dem Verbrechen angemessen sein, außerdem muss dem doppelten Ziel der Strafe und Resozialisierung Rechnung getragen werden.
Das Gericht befindet, dass der Angeklagte ein gewisses Rückfallrisiko besitzt, das aber durch weitere Zeit im Gefängnis nur erhöht wird. Ferner bin ich mir bewusst, dass dies ein gewaltloses Verbrechen war und dass die meisten Staatsanwälte entsprechend den Richtlinien von Bezirksstaatsanwalt Masterson empfehlen, solche Straftäter auf Bewährung freizulassen. Angesichts der Überfüllung der Justizvollzugsanstalten von Milton County und der Tatsache, dass dieser Mann dreißig Tage abgesessen hat, bevor er Kaution stellte, verurteile ich den Angeklagten zusieben Jahren Haft, wie es die Staatsanwältin vorgeschlagen hat, setze sie aber bis auf die dreißig bereits verbüßten Tage zur Bewährung aus.«
»Das ist lächerlich«, murmelte ich.
»Ms Brock«, blaffte Richter Brown, »haben Sie etwas zu sagen?«
Ich stand wieder auf, empört über das Urteil des Gerichts. In vier Jahren als Staatsanwältin hatte ich ausnahmslos Respekt vor den Richtern gezeigt. Ich hatte immer »Danke, Euer Ehren« gemurmelt, selbst wenn die Urteile gegen mich ausfielen.
Doch an diesem Tag, ausgelaugt von einer endlosen Menge an Fällen und gebeugt von den Sorgen über meinen Vater und seinen Ruf, war meine Geduld überstrapaziert.
»Bei allem nötigen Respekt, Euer Ehren, ich halte es für einen traurigen Tag in Milton County, wenn ein Mehrfachstraftäter wie dieser Mann, auf frischer Tat ertappt, ohne einen weiteren Tag im Gefängnis hier hinausmarschieren darf.«
»Vielleicht sollten Sie das mit Ihrem Chef besprechen«, sagte Richter Brown.
»Soweit ich weiß, ist mein Chef nicht derjenige, der die Urteile fällt.«
Richter Brown lief rot an und schürzte die Lippen. Er starrte mich einen Augenblick an. »Ms Brock, mir ist klar, dass Sie im Moment unter großem Druck stehen; andernfalls hätte Ihnen diese Bemerkung eine Strafe wegen Missachtung des Gerichts eingebracht. Aber ich schlage vor, Sie denken das nächste Mal zweimal nach, bevor Sie sich einem Richter gegenüber so schnippisch äußern.«
Ich biss mir auf die Zunge, aber mein höhnisches Grinsen spiegelte offenbar meine Verachtung wider.
»War an meinen Bemerkungen irgendetwas amüsant?«, fragte Richter Brown nach.
»Ich finde es nur ironisch, dass die Gefängnisse zu überfüllt für die Angeklagten sind, aber nicht zu überfüllt für Staatsanwälte.«
Ich war immer ein größerer Besserwisser, als mir guttat und bereute meine Worte üblicherweise später. Aber diesmal fühlte es sich richtig an, sie auszusprechen. Ich hatte genug davon, dass die Angeklagten in Milton County bestimmten, wo es langging. Es wurde langsam Zeit, dass sich jemand auf die Seite der Opfer stellte.
»Diese Bemerkung kostet Sie jetzt tatsächlich fünftausend Dollar wegen Missachtung«, entschied Richter Brown. »Haben Sie dem Gericht sonst noch etwas zu sagen?«
»Nein, Euer Ehren. Mehr kann ich mir nicht leisten.«
Die Nachricht über meinen Trotzanfall kam vor mir im Büro an. Bill Masterson war unterwegs, deshalb wurde ich in Regina Grangers Büro gerufen, um mir übers Telefon eine Strafpredigt anzuhören. Ich entschuldigte mich sowohl bei Masterson als auch bei Regina und hatte nicht viel zu meiner Verteidigung zu sagen. Ich willigte ein, mich am nächsten Tag bei Richter Brown zu entschuldigen, aber ich sperrte mich, als Masterson außerdem ein paar Stunden beim Psychologen vorschlug.
»Ich schaffe das schon«, sagte ich. »Diese Tat war nur so ähnlich dem gewesen, was Antoine Marshall gemacht hat. Der einzige Unterschied
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