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Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Titel: Die Stachelbeerstraeucher von Saigon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Zimmerschied
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klingt immer leicht behindert.
    Aber das eint die Menschen.
    Dahoam is dahoam.
    Da hilft kein Grimmepreis und kein Germanistikstudium.
    Dahoam is dahoam.
    Das ist in Bayern keine Behauptung.
    Das ist eine Drohung.
    Ich schrieb immer schon anders.
    Etwa so.
    Ministrantula
    Matthias rutscht bei einem Pfadfinderausflug in eine Höhle und steht in einem unterirdischen Lager vor drei Waggons mit Weihrauchkörnern.
    Es handelt sich um eine hochgradig kontaminierte Ladung der Marke » Pontifikal « , die als Dämmstoff in einem geheimen vatikaneigenen Atomreaktor diente.
    Matthias wähnt sich im Paradies.
    Seine verhängnisvolle Leidenschaft, Weihrauchkörner zu nagen, scheint sich ins Unendliche zu erfüllen.
    Immer wieder sucht er diesen Ort auf.
    Und nagt und nagt und nagt.
    Und wächst und gedeiht.
    Und blüht und strahlt.
    Er wird zum Hoffnungsträger seiner desolaten Familie, in der alle auf irgendeine Art und Weise versagt haben.
    Der Onkel bei der Polizei, ein schwerer Alkoholiker.
    Seine Frau, deren Ballettintentionen sich im Kurs » Spiritueller Ausdruckstanz « des örtlichen Frauen- und Müttervereins erschöpfen.
    Tante » Beauty « , die eigentlich Ottilie heißt, eine angebliche ehemalige Schönheitskönigin, die als erfolglose Kosmetikberaterin ihre gesamten Kreationen an sich selbst verschmiert und deren Auftritte apokalyptisches Grauen hervorrufen.
    Und das tragische Elternpaar.
    Josef, der Vater, der Priester werden wollte, aber wegen einer Weihrauchallergie diesen Traum nicht verwirklichen konnte.
    Mutter Maria verehrt ihre Namenspatronin.
    Und noch mehr ihren Sohn Matthias, zumal er weiterwächst und weiterstrahlt.
    Die sonntäglichen Auftritte des Prachtburschen als Ministrant sind der Höhepunkt der Woche.
    Dann aber beginnen bei Matthias die ersten Hemden zu reißen.
    Ein beschleunigtes Wachstum, das mit einer Überpubertät erklärt wird, setzt ein.
    Der Stadtpfarrer, ein gewaltlüsterner Alttestamentarier, wittert den Antichristen und forscht nach Gegenmaßnahmen wie langsamem Räuchern in geweihten Kaminen, Hostienheilfasten oder morgendlichem Genitalgeißeln mit frisch gesegneten Brennnesselstauden.
    Plötzlich ist Matthias verschwunden.
    Die Spur verliert sich im Sauwald.
    Seltsame Dinge geschehen.
    Kleine trübmilchige Pfützen tauchen auf den Feldern der Bauern auf.
    Eine Probe durch die Biologin ergibt ein unglaubliches Ergebnis:
    Es ist Sperma.
    Harzduftiger Frühnebel durchzieht immer häufiger die Gassen der Bischofsstadt.
    Fälle von Sucht treten auf.
    Dieser Nebel enthemmt.
    Schwester Benedikta und Bruder Johannes werden im Beichtstuhl beim Oralverkehr überrascht.
    Beim politischen Aschermittwoch in der Nibelungenhalle singt Franz Josef Strauß die dritte Strophe der Nationalhymne und erklärt General Pinochet zum bayerischen Innenminister.
    Riesenspuren und Zeugenberichte lassen es zur Gewissheit werden.
    Matthias Rosenberger ist zum Riesenministranten mutiert.
    Ministrantula!
    Die Jagd beginnt.
    Finale.
    Matthias watet durch die Donau auf Passau zu.
    Tsunamiartige Wasserwellen überfluten die Stadt.
    Aus den gestohlenen Containern der örtlichen Bauunternehmer hat er riesige Weihrauchschwenker gebastelt und taucht die Stadt in einen ultimativen Nebel.
    Der alte Theologe ist sich sicher:
    Dieses Monster kann nur durch eine altbiblische Tötungsform vernichtet werden.
    Es muss gesteinigt werden.
    Tornadogeschwader mit riesigen Felsbrocken steigen auf.
    Der pausbäckige Riesenbub erklimmt den Dom.
    Ein letztes Mal segnet er die Stadt.
    Dann wird er abgeschossen.
    Er liegt auf dem Domplatz.
    Die Füße ragen in die Gassen.
    So etwas habe ich geschrieben, Mitte der Siebziger, und es den Redakteuren angeboten.
    Es war das Bayern von Franz Josef Strauß, der vollgekotzten Burschenschaftler und der unbefleckten Empfängnis.
    Es war das Bayern, in dem man für ein Stück, das den Himmel als Missbrauchsopfer von Klerikalfunktionären darstellte, noch wegen Gotteslästerung angeklagt wurde und Theaterveranstaltungen mit Polizeieinsatz verhindert wurden.
    Und das von den gleichen Kräften, die nun fünfunddreißig Jahre später sich nicht mehr einkriegen in der Aufdeckung von Missbrauchsfällen, weil sie auf jedes Surfbrett aufspringen, das ihnen gefahrlos Öffentlichkeit bietet.
    Ich werde skeptisch, wenn plötzlich die Missbrauchsopfer wie die Pilze aus dem Medienfilz schießen.
    Manchmal habe ich das Gefühl, dass jeder Zweite mittlerweile seinen ganz normalen Alkoholismus dadurch erklärt,

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