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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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eine Runde um den Lagerraum zu drehen, und Ginny folgte ihm unaufgefordert. »Warum gerade Wespen?«, fragte sie.
    »Aus einem Raum voller Wespen gibt es kein Entkommen. Wohin du dich auch wendest, du hast keine Chance.« Er hatte keine Lust, die Weltlinie zu beschreiben, in die er sich hatte flüchten müssen. Und auch nicht, in welcher Weise das den Sturm – den Riss in der Zeit – kurzzeitig abgelenkt haben mochte. »Über was reden die da drüben? Über uns?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie beendeten den Rundgang an der Stelle, wo Ginny sich die kleine Nische zwischen den Kisten geschaffen hatte. Sie hob den Vorhang hoch, den sie dort zur Wahrung einer gewissen Privatsphäre angebracht hatte, und lud ihn zu sich ein. Jack setzte sich auf eine kleine Lattenkiste, da er nicht gern den einzigen Holzstuhl in Beschlag nehmen wollte und schon gar
nicht das Bett. Er schlug die Beine übereinander. »Ich bin ein Gaukler«, erklärte er.
    »Ja, ich hab dich auf dem Gauklermarkt gesehen.«
    »Komisch, dass ich dich nicht gesehen hab.«
    »Du hattest dich über irgendwas geärgert, glaub ich.«
    »Und was treibst du so?«
    »Ich gerate in Schwierigkeiten, und dann laufe ich weg.« Ginny setzte sich ebenfalls auf eine Kiste. Doch da Staub davon aufwirbelte und die Kiste durchhing, stand sie auf, klopfte sich die Jeans ab und nahm auf dem Stuhl Platz.
    »Von wo läuft du weg?«
    » Wohin solltest du besser fragen.« Sie zuckte die Achseln. »Wir beide sind uns schon früher begegnet, da bin ich mir sicher. Nicht nur auf dem Gauklermarkt. Erinnerst du dich denn gar nicht daran?«
    Dass Jack erneut zu zittern begann, lag nicht nur an der Kälte. Er hatte sein Visier aufgeklappt, und das passte ihm nicht, nicht an diesem Ort und nicht vor diesem Mädchen.
    Staunend und voller Angst blickten beide zu den schmalen hohen Fenstern empor, denn es war plötzlich dunkel geworden. Vielleicht würde nie wieder ein neuer Tag anbrechen. Zwei Sterne leuchteten durch die Glasscheiben. Jack versuchte sich auszumalen, wie die Zeit zum Stillstand kam, erstarrte, von der Barriere – oder wie man es sonst nennen sollte – zurückprallte und bis zu den Sternen hinauskatapultiert wurde, doch es überstieg sein Vorstellungsvermögen. Er stand auf, hob den Vorhang an und kehrte in den hinteren Teil des Lagerraums zurück, wobei Ginny ihm wie ein Hündchen folgte. Er hämmerte gegen die stählerne Schiebetür, doch die Stimmen dahinter redeten so laut weiter, als hätten sie ihn nicht bemerkt.
    »Sie werden uns reinlassen, wenn sie so weit sind«, sagte Ginny. »Ein Gaukler ist ein Straßenkünstler, stimmt’s?«
    »Tja.«
    »Warum sollte sich ein Gewitter für einen Jongleur interessieren? « Sie schlug sich die Hand vor den Mund.
    Jack sah sie verblüfft an. Dass sie angesichts ihrer misslichen Lage so unerschrocken und übermütig lachte, verlieh ihr einen seltsamen Anstrich von Heldenmut, und das beschämte ihn. »Wer ist Bidewell?«, fragte er.
    »Mit vollem Namen heißt er Conan Arthur Bidewell. Ich glaube, er ist schon sehr lange hier.«
    »Also ist er so was wie ein großer mächtiger Hexenmeister? «
    »Zumindest scheint er selbst das zu glauben. Er hat sein ganzes Leben damit verbracht, Bücher zu sammeln. Hier gibt es Räume, die seit über hundert Jahren kein Mensch betreten hat, sagt er jedenfalls. Ich glaube, er will uns dort hineinstecken und dann sehen, was passiert.«
    »Und du traust dem, was er sagt?«
    »Ich glaube nicht, dass er lügt.«
    Rumpelnd glitt die Schiebetür auf, und Miriam streckte den Kopf herein. »Ihr könnt jetzt kommen. Jeremy …«
    »Jack«, korrigierte er sie.
    »Jack … Zeit, dass Sie Mr. Bidewell kennenlernen.«
    Ginny ging an seiner Seite hinein.
    »Wie kannst du das alles nur so hinnehmen?«, fragte Jack.
    »Ich hatte auch schon gewisse Probleme damit, bin aber immer ins Lagerhaus zurückgekehrt, denn hier ist es sicher, jedenfalls für den Moment. Es ist der sicherste Ort in der ganzen Stadt, vielleicht sogar in der ganzen Welt. Da draußen …«
    Es war nicht nötig, mehr über die Straßen, die Stadt und den Himmel zu sagen.
     
    Der alte Mann – Bidewell, wie Jack annahm – stand an einem langen Holztisch, auf dem mehrere mittelgroße Bücher mit festen Einbänden gestapelt waren. Bidewell trug einen dunkelbraunen Anzug voller Flicken und ausgebesserter Löcher.
    Nachdem Miriam sich zu den anderen Frauen gesellt hatte, setzten sich alle um einen eisernen Ofen, in dem Holz brannte. Aus dem

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