Die Stadt am Ende der Zeit
um sie herum, dass es sie fast erwischt hätte und ihre Anzüge blassgrün zu fluoreszieren begannen.
»Halt uns das Ding vom Leib!«, brüllte Macht.
Instinktiv drängte es die Gruppe zu den funkelnden Bäumen. Es tauchten einfach zu viele Wiedergänger auf, und sie strömten vom Höhenrücken nach unten. Unzählige verschollene Marschierer – Tausende von verlorenen Lebensjahren – hatten sich hier zusammengeballt, um gegen die noch Lebenden vorzugehen. Je mehr die Klaven fällten, desto mehr wuchsen nach. Plötzlich zweifelte Tiadba an der Wirkungskraft ihrer Waffen, denn sie sah, dass die Klaven die unheimlichen Marschierer nur vorübergehend abwehren konnten. Sobald sie sich in Luft auflösten und verschwanden, schienen sie an anderer Stelle auf dem schwarzen Boden wiederaufzuerstehen.
Khren war der Erste, der in die Baumgruppe eindrang. Als er dabei die Äste streifte, schossen die perlmuttfarbenen Lichtkügelchen heraus, als wollten sie nach ihm schnappen. Doch die Bäume verleibten sich ihre Schutzanzüge nicht ein, sondern umhüllten sie sogar noch mit Zweigen und dicken Ästen. Das machte ihnen große Angst – bis sie sahen, dass die Zweige sich hinter ihnen schlossen und sich ein Vorhang aus glitzernden
Tropfen bildete, die so zart waren wie Tau. Die unheimlichen Marschierer konnten ihnen nicht folgen. Dieser Schutzschild war zwar völlig anders als die vom Generator erzeugte Blase, aber offenbar wirksamer.
Tiadba, Khren und Denbord führten die anderen tiefer in den Wald, bis sie eine Lichtung erreichten. Als Khren plötzlich stehen blieb, brachte er Tiadba zu Fall, und gleich darauf stürzte Macht über beide. Während sich das Knäuel entwirrte, sanken die anderen auf die Knie, murmelten Gebete, weinten und ließen sich auf den weichen grauen Boden fallen. Derweil schossen die Bäume ringsum empor, bis sich die Wipfel in doppelter Höhe ihrer Köpfe befanden. Überall trieben sie grazile Wedel aus, so dass sich eine Laube bildete, die der Gruppe Deckung gab.
Nach und nach kamen sie wieder zu Atem. Tiadba wälzte sich auf den Rücken. Immer noch rechnete sie damit, dass sie sterben würde oder noch Schlimmeres auf sie wartete. All ihre Kenntnisse aus dem Training, all ihre Instinkte schienen sie jetzt im Stich zu lassen, waren überlagert von einer Furcht, die bis tief in die uralte Substanz reichte, aus der man sie erschaffen hatte. Worauf hatten sie sich da nur eingelassen? Wie viele weitere Schrecken hielt das Chaos für sie bereit, Schrecken, die weit schlimmer waren als die jetzige Situation?
Waren sie hier, wo sie Deckung und offenbar auch Schutz genossen, wo das Chaos frustriert Abstand hielt, auch wirklich in Sicherheit?
Macht weinte um Perf. »Er ist genauso von uns gegangen wie der Hochgewachsene. Hat sich einfach in einen Funkenregen aufgelöst.«
»Er war zu langsam«, sagte Denbord.
Das nahm Macht ihm so übel, dass er mit geballten Fäusten auf ihn losgehen wollte, doch Herza und Frinna hielten ihn zurück. Leise vor sich hin jammernd, ließen sich alle wieder zu Boden fallen.
Tiadba hockte sich in einigem Abstand zur Gruppe hin, zu erschöpft, um sich zu ihren Gefährten zu gesellen. Nico war der Erste, der sich erholte. Durch sein Visier musterte er die Umgebung und konnte gar nicht fassen, dass sie nicht mehr verfolgt wurden.
»Was ist das für ein Ort?«, fragte Tiadba den Schutzpanzer.
Keine Antwort.
»Der Panzer will uns nicht helfen«, bemerkte Macht. »Er ist nutzlos.«
»Vielleicht kann er nicht über Dinge reden, die er nicht kennt«, überlegte Shewel.
»Der Panzer hat auch Perf nicht gerettet. Er hat ihm nicht gesagt, was er tun soll!«
»Alles hier draußen ändert sich ständig«, warf Nico ein. »Der Ausbilder hat gesagt …«
»Wozu dann überhaupt die Sprechvorrichtung?«, brüllte Macht. »Was nützt die irgendeinem von uns?« Er schlug mit den Beinen aus und trommelte mit den Armen und Händen auf den grauen Boden – ein Ausdruck des Ärgers und Zorns, den sie alle nur zu gut kannten, denn auf diese Weise hatten sie schon im Hort ihrer Wut Luft gemacht.
Denbord kroch zu Tiadba hinüber und ließ sich neben sie fallen. »Ich weiß nicht, ob wir tatsächlich in Sicherheit sind oder nur im Bauch von etwas anderem.«
Tiadba tastete den grauen Boden ab und bemerkte dabei, dass ihre gepanzerten Finger, anders als sonst im Chaos, kein
schwaches Leuchten erzeugten, das die Anpassung des Schutzanzuges signalisierte. »Die Anzüge arbeiten hier kaum«,
Weitere Kostenlose Bücher