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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Nachgezüchtete meinen Zufluchtsort erreichen, verdienen sie eine Ruhepause, Anweisungen, bessere Wettervorhersagen für das Chaos … Wissen, das in der Kalpa nicht zugänglich ist. Außerdem sollten wir
eure Schutzanzüge erneuern und aufrüsten, meint ihr nicht auch?«
    »Das wäre sicher gut«, erwiderte Macht, »aber ich glaube dir nicht, kein Wort. Pahtun hat uns aufgetragen, solchen Erscheinungen wie dir nicht zu trauen.« Er sprach beherrscht, ohne jeden Zorn, aber seine Miene war angespannt.
    Der Hochgewachsene griff sich an die Nase und gab das Geräusch von sich, mit dem Pahtun stets Belustigung ausgedrückt hatte: ein Grollen, das tief aus der Kehle kam und die Nachgezüchteten jedes Mal leicht verunsichert hatte. »Gute Instinkte«, sagte er. »Aber wäre ich wirklich ein solches Monstrum, hätten euch selbst eure armen, alten und schlecht funktionierenden Schutzanzüge vor mir gewarnt. Wie steht’s in der Stadt? Von hier aus können wir sie natürlich nicht sehen.«
    »Schlecht«, erwiderte Tiadba. »Sehr schlecht.«
    »Na ja, es musste ja so kommen. Der Typhon wird unruhig und immer stärker. Jetzt will er uns endgültig erledigen. Kommen nach euch noch weitere Nachgezüchtete?«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Tiadba. »Vielleicht nicht.«
    »Umso mehr Grund, diese Arbeit hinter uns zu bringen. Das Dickicht wird nur noch kurze Zeit bestehen. Ich habe die Bäume selbst ausgerüstet, habe sie in uraltem Boden herangezüchtet. Genau wie ihr – und ich – bestehen sie aus urzeitlicher Materie. Gut, dass ihr hier eingebrochen seid … Hättet ihr einen Bogen darum geschlagen, hättet ihr einen Passweg überqueren müssen, und die Schweigenden sind in jüngster Zeit sehr emsig gewesen. Folgt mir.«
    Er stand auf, so dass er sie weit überragte, und breitete die Arme aus. »Glückwunsch euch allen! Bis hierher habt ihr’s geschafft. «

75
Das grüne Lagerhaus
    Die Frauen des Literaturzirkels verteilten sich im Lagerhaus und stellten ihre Feldbetten auf, um sich auf die Nacht vorzubereiten, die keiner anderen ähnelte. Zwar war es dunkel geworden, und durch das Oberlicht konnte Ginny zwei Sterne leuchten sehen, aber es waren stets dieselben Sterne . Die Erde stand still. Sonne und Mond hatten ihre Positionen am Himmel seit langem nicht mehr verändert.
    Innerlich widerstrebend, breitete Ginny die Decken über ihr Feldbett und nahm in ihrer armseligen Nische inmitten der Kartonstapel Platz. Sie war erschöpft und schläfrig, aber sie wusste, was geschehen würde, wenn sie sich hinlegte und die Augen schloss. Sie fürchtete sich vor diesem Teil des Traums: vor der Trennung (auch wenn Jack nur einige Meter von ihr entfernt schlief, sie konnte ihn leise schnarchen hören), vor der Reise durch … Ihr fiel nicht mehr ein, was es war. Hohe graue Mauern und staubige Böden.
    Könnte ich all das nur in irgendeine Reihenfolge bringen!
    Minimus kroch durch einen Spalt zwischen den Kartons und sprang aufs Bett. Ginny erlaubte dem Kater, sich auf ihren Schoß zu legen, wo er zufrieden schnurrte und sie mit der hoheitsvollen Anteilnahme beobachtete, wie nur Katzen sie zeigen können: reserviert, wachsam und nur der Höflichkeit halber neugierig.
    Mit Minimus fühlte sie sich sicherer, nur würde der Kater sie nicht in das Dunkel hinter ihren Augenlidern begleiten – in die unerwünschte Welt, die sich stets nur einen Spalt und einen flüchtigen Moment lang auftat.
    Schließlich konnte sie sich nicht länger wach halten. Sie hörte, wie der Kater vom Bett sprang, aber es war ihr gleichgültig.
    Jeden Versuch, ihr Leben zu begreifen und in den Griff zu bekommen, hatte sie inzwischen satt. Und so gab sie für einige, zeitlich nicht fassbare Momente – es war nur ein kurzes Zwischenspiel in einer Welt, in der reale Zeit nicht mehr existierte – einfach auf und fand sich ab mit dem, was war. Ließ zu, dass das aus den Fugen geratene Leben, das sie so fürchtete, über sie herfiel und ihr Inneres ausfüllte. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, jedes Mal, wenn sie sich ausruhen, schlafen musste, würde sie dieses Opfer bringen, diese Qual erleiden müssen, bis ihre beiden Leben sich miteinander verbanden, zusammengeführt wurden.
    Ja, ja, aber von diesen Dingen hab ich schon früher geträumt, zeig mir was Neues!
    Bring mich hinaus, ins Chaos. Schick mich zu der Trügerischen Stadt und setz mich dort aus, damit es endlich vorbei ist!
     
    Die Frauen versammelten sich rings um den Ofen. Niemand konnte schlafen. »Wie

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