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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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viel Zeit bleibt uns noch?«, fragte Agazutta Bidewell. Sie hatte ihre Beherrschung zurückgewonnen, aber unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab, und ihr rotes Haar war völlig zerzaust.
    Bidewell reichte jedem eine Tasse Kamillentee.
    Miriam kam als Letzte in den düsteren, nur vom Schein des Ofens erhellten Raum. Sie hatte erst noch nach Jack und Ginny gesehen und sich vergewissert, so murmelte sie Ellen zu, dass sich Daniel und Glaucous in ihrer Abstellkammer aufhielten.
    Bidewell wartete mit seinen Ausführungen, bis alle Frauen da waren. Sie nahmen auf den alten Holzsesseln Platz, nur Agazutta blieb stehen. Träge wie immer, lehnte Farrah sich ins Polster zurück, doch ihre Augen zuckten bei jedem Geräusch, und ihre Hände umklammerten die Armlehnen.
    »Nicht mehr viel«, erwiderte Bidewell. »Den Kindern hab ich’s noch nicht gesagt. Von jetzt an werden die Dinge rapide zerfallen. —Ich habe eure Gesellschaft sehr zu schätzen gewusst. «
    »Aber nicht unser Urteilsvermögen«, entgegnete Farrah und schnaubte. »Du hast diese Mistkerle hereingelassen. Warum?«
    Bidewell sah zu der hohen Decke hinauf und schüttelte abwehrend den Kopf. »Weil die Steine es so wollten.«
    »Woher kennst du Glaucous?«, fragte Agazutta.
    Bidewell verzog angewidert das Gesicht. »Dass der hier auftaucht, hätte ich vorhersagen können.«
    »Wenn er ein Jäger ist, wieso hast du ihn dann aufgenommen? «
    »Welche Antwort ich auch geben würde, sie würde euch niemals befriedigen … Aber die Integralläufer suchen sich ihre Gefährten selbst aus.«
    »Es ist wohl eher so, dass sie sich ihre Gefährten selbst schaffen , oder?«, fragte Ellen, während sie sich gedankenverloren über Wange und Kinn strich. Als es jenseits der Mauern erneut laut krachte und mahlende Geräusche zu hören waren, fuhren alle zusammen.
    »Kann man nicht wissen«, bemerkte Agazutta müde.
    Während Bidewell den Blick senkte, rannen ihm Tränen über die von tiefen Furchen durchzogenen Wangen, was alle schockierte. »So viel weiß ich zumindest: Wie Mnemosyne bestätigt
hat, existieren alle Hüter der Steine nur aufgrund des Textes, durch den Text – der Text ist das Entscheidende. Die Integralläufer haben das Labyrinth aller Weltlinien durchquert, sind auf allen möglichen Straßen gereist, selbst auf den unwahrscheinlichsten, und jetzt sind sie hier angekommen, haben sich zusammengefunden und bei uns bemerkbar gemacht. Und von sich aus, mit so unermesslicher Kraft, dass sie unsere Vorstellung übersteigt, haben sie sich Hüter geschaffen. Selbst Daniel ist einer, auch wenn man sich nicht auf ihn verlassen kann.«
    »Vielleicht spielt er falsch«, meinte Miriam.
    »Das wissen wir nicht. Obwohl sein enges Verhältnis zu Glaucous zweifellos beunruhigend ist. Schon seit Jahrhunderten gibt es Gerüchte über einen schlechten Hirten … Doch ich bin ihm – oder ihr – nie begegnet.«
    »Was ist ein schlechter Hirte?«, fragte Agazutta und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
    »Ein Reisender, der sich mittels anderer Hirten den Weg bahnt, indem er sie benutzt. Außerdem bringt er nicht nur den Stein mit, sondern auch noch etwas anderes, aus eigensüchtigen Motiven.«
    »Klingt bezaubernd«, bemerkte Farrah.
    Bidewell hielt die Hände über das eiserne Öfchen und musterte seine Finger. »Wie immer, muss ich mich für meine Unwissenheit entschuldigen, meine Damen«, murmelte er. »Aber unsere Zeit ist begrenzt, wie schon erwähnt. Ich spüre bei euch eine gewisse Unruhe. Allerdings kann ich euch versichern, dass die Chancen da draußen sehr begrenzt sind.«
    »Sie haben sich bereits entschieden«, sagte Ellen.
    »Wer geht?«
    Agazutta streckte die Hand hoch. »Die Kinder sind erwachsen und fortgezogen, weit weg, nach Frankreich und nach Japan. Aber vielleicht haben sie zu Hause Nachrichten für mich hinterlassen. Kann ja sein, dass es noch immer eine Möglichkeit gibt, mit ihnen zu reden. Ich muss es wenigstens versuchen. «
    Auch Miriam meldete sich. »Ich muss zurück zur Klinik – falls sie überhaupt noch steht. Bestimmt sind meine Patienten wie verrückt vor Angst. Und meine Angestellten … Sie sind schon seit Jahren bei mir.«
    Farrah stand auf und streckte sich. »Ich bin zwar allein, aber ich schließe mich Agazutta und Miriam an, um einfach ein bisschen auf sie achtzugeben.«
    »Ich bleibe«, erklärte Ellen, »ob ich hier gebraucht werde oder nicht. Da draußen braucht mich jedenfalls niemand.«
    »Auch wir nicht?«, fragte

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