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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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die an eine einzige Tortur waren. Um bis hierherzugelangen, hatte er entsetzlich viele zerstörte Weltlinien durchqueren müssen, doch am meisten machte ihm seine Herkunft zu schaffen.
    Zwei Steine. Warum?
    Erneut veränderte sich der Raum. Die Konfrontation, die er gefürchtet, jedoch für unmöglich gehalten hatte, kam und ging so schnell, dass er sie überhaupt erst im Nachhinein erfassen konnte, was größte Selbstbeherrschung von ihm verlangte.
    Daniel wurde eiskalt. Die Dinge, an die er sich nicht erinnern wollte – das, was seine Willenskraft, seine Vorhaben lähmte –, drängten sich einen Moment lang gewaltsam in sein Gedächtnis und Bewusstsein und bestimmten seine Reaktionen.
    Du kennst mich.
    »Ja.«
    Aber nicht so, wie ich jetzt bin.
    »Nein.«
    Ich habe mich verwandelt, verwandele mich immer noch.
    »Ja.«
    Ich bin verloren.
    »Du stirbst. Aber wir werden uns wiedersehen. Jedes Mal treffen wir uns am Ufer eines silbernen Meeres wieder. Das ist alles, was ich noch weiß.«
    Ihm war kalt bis in die Knochen.
    Daniel blieb auf dem Stuhl sitzen. Ihm war so kalt, dass er nicht einmal mehr zu zittern vermochte. Vor ihm, auf dem Holzfußboden, lag eine kleine runde Glasscheibe, die zuerst grün, dann blau schimmerte. Im Laufe der Zeit hatte sie sich eingetrübt. Sie sah so aus, als hätte sie an einem Strand gelegen und wäre von einer endlosen Woge aus Wasser und Sand abgeschliffen worden. Vielleicht war es auch gar kein Glas, er konnte es nicht genau sagen. Er bückte sich, nahm die Scheibe einen Augenblick in die Hand, wendete sie mit den Fingern hin und her und ließ sie danach in seine Hosentasche gleiten, neben die rätselhaften Kästchen.
    Daniel sah sich im stillen, leeren Raum um. »Leb wohl«, sagte er.
     
    Bidewell ging den hohen schmalen Gang entlang und öffnete eine Tür nach der anderen. Zuerst kam Ginny heraus, mehr im Frieden mit sich selbst, als er sie je gesehen hatte. Jack, der als Nächster heraustrat, wirkte nachdenklich, aber in seinen Augen lag ein neuer Glanz.
    Bidewell zögerte kurz, ehe er die mittlere Tür aufmachte. Dann ging er zu Daniels Stuhl hinüber, packte den Mann bei den vorgebeugten Schultern und schüttelte ihn. Daniel fuhr zusammen und schlug die Augen auf. Die Augen, die nicht in dieses Gesicht passten, denn sie blickten messerscharf. »Ich bin eingeschlafen«, gestand er und streckte sich.
    Der dritte Hirte war und blieb ein Rätsel.
    »Wir werden uns später zusammensetzen«, sagte Bidewell.
    »Es war ziemlich interessant. Eine Frage …«, setzte Daniel an, aber Bidewell streckte abwehrend die Hand hoch. »Nicht nötig. Das alles ist vertraulich.« Bidewell nickte dreimal, während
sein Blick zu drei verschiedenen, willkürlich gewählten Punkten in dem hohen Raum huschte. Erst danach trat er hinaus.
    Der Augenblick, auf den ich mich tausend Jahre lang vorbereitet habe, ist jetzt vorbei, dachte Bidewell.

74
Das Chaos
    Sie hatten keine Wahl. Eine weitere Welle unheimlicher Marschierer – Toter, Sterbender oder ewiger Wiedergänger – ergoss sich vom Höhenrücken in die Ebene.
    »Es sind zu viele, und sie sind zu stark«, teilten ihnen ihre Körperpanzer mit. »Der Generator wird euch nicht schützen. «
    Als Tiadba das Gerät vom Gestell hob, schrumpfte das Kraftfeld auf ein Oval zusammen, das Funken sprühte und zischte, ehe es erlosch. »Zu den Bäumen!«, rief sie.
    »Das sind keine Bäume!«, wandte Denbord ein. »Die werden uns umbringen. Du hast doch gehört, was der Panzer gesagt hat.«
    Aber es gab keine Alternative. Tiadba drängte ihre Gruppe vorwärts. Denbord griff nach dem Generator, warf ihn sich über die Schulter und beförderte den Handkarren mit einem Fußtritt auf die Seite. Danach zog er die Klave aus seinem Gürtel. Es war das erste Mal, dass sie diese Waffe ausprobierten. Tiadba tat es ihm nach. Die schwarz melierten, eingekerbten Klingen fächerten sich auf und wirbelten so schnell herum,
dass sie kaum noch zu erkennen waren. Zwei Kraftbarrieren strahlten im Winkel der Klingen nach außen. Einen Moment lang wirkten sie wie durchsichtig, doch dort, wo sie einander überschnitten, bildeten sie einen silbernen Spiegel. In diesem Zerrspiegel, der das Umfeld mit seinen Strahlen bestrich, sah es so aus, als leerte sich die Fläche in ihrem Rücken. Jedenfalls fielen die unheimlichen Marschierer zurück und lösten sich auf.
    »Wir können sie töten!«, rief Denbord triumphierend und schwenkte weiterhin die Klinge. Deren Kraftfeld fegte so nah

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