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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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entzückt. Mit halb geschlossenen Lidern, was sie friedlich und schläfrig wirken ließ, blickte sie nach links. Leicht schaudernd rutschte sie näher an ihn heran und lehnte den Kopf an seine Schultern. Die Berührung war wie ein Stromstoß. Jebrassys Herz begann heftig zu klopfen, und seine Hände wurden heiß.
    »Du wirst uns nicht anlügen«, sagte sie. »Und du wirst uns niemals im Stich lassen.«
    »Wie kannst du dir in allem so sicher sein?« Er gab sich Mühe, schroff zu wirken.
    »Weil ich dich kenne. Wir sind uns schon früher begegnet, spürst du das nicht?«
    Er stand auf, schüttelte die Arme aus und trat den Rückzug an. »Zu viele Versprechen, zu wenig als Gegenleistung.«
    Wieder hellwach, rannte Tiadba ihm nach, streckte seine Hand hoch und zog energisch an seinen Fingern. »Versprich es! Du weißt , dass du es tun musst!«
    »Lass mich los!« Er wollte sich ihr entwinden, doch mit einem kleinen Aufschrei packte sie seine Schultern und brachte
ihn zu Fall. Gemeinsam rollten sie über die staubige Bühne. Sie war stärker als er – manche Frauen ihrer Art waren sehr drahtig und verströmten im Kampf einen süßen Geruch, der ihre stärkste Waffe war. Der Duft untergrub Jebrassys Kampfeslust.
    »Hör auf!«, rief er, als sie ihn auf den Boden drückte. Ihr Gesicht lag nahe an seinem, ihre Augen sahen ihn eindringlich an. Beide waren völlig mit Staub übersät.
    Sie schaute so finster, dass er vor Scham den Blick am liebsten abgewandt hätte. »Sei kein Schwachkopf, versprich’s! Du weißt, dass du’s tun wirst! – Versprich’s! «, wiederholte sie in heiserem Flüsterton, während ihre Lippen fast die seinen berührten.
    »Gib mir irgendwas als Gegenleistung, lass mir wenigstens Hoffnung«, erwiderte er mit aufgebrachter, rauer Stimme. »Versprich du mir, dass ich beim nächsten Marsch dabei sein werde!«
    Sie wälzte sich von ihm herunter, rappelte sich hoch und klopfte sich den Staub von der Kleidung. »Ich bin nicht diejenige, die die Teilnehmer auswählt.«
    »Du behauptest, wir würden einander kennen, doch offensichtlich kennst du mich überhaupt nicht.«
    Tiadba legte die Hände aneinander und berührte auf diese Weise mit geschlossenen Augen ihre Stirn.
    »Ihr nutzt mich aus«, sagte er. »Ihr stürzt euch auf einsame Wölfe wie mich … Verhaltet euch so, als würdet ihr einem Pede saftige Hanfsprossen vor die Nase halten, um es auf den Acker zu locken.« Er löste ihre Hände von der Stirn und sah ihr direkt in die Augen. Es gab tatsächlich eine Verbindung zwischen ihnen, doch er konnte sie sich nicht erklären, und das machte ihn noch wütender. Schließlich ließ er sie los.
    »Wenn du so mutig bist, warum bist du dann nicht schon längst allein fortgelaufen?«, fragte sie. »Was hält dich davon ab?«
    »Jemand muss doch nach Wächtern Ausschau halten«, gab er scharf zurück. »Mit einer Sache bin ich einverstanden: So etwas muss man planen .«
    »Was ist, wenn ich dir von den Problemen erzähle – nur ein bisschen darüber, was alles zu berücksichtigen ist?«
    »Du würdest deine Leute hintergehen?«
    »Ich vertraue dir.«
    »Das solltest du aber nicht. Ich bin kein verantwortungsbewusster Typ.«
    »Haben dir das deine Paten gesagt?«
    »Meine Mer und mein Per sind nicht mehr da.«
    Sie rückte wieder näher an ihn heran. Wenn irgendetwas typisch für sie war, dann ihre Hartnäckigkeit. »Ich weiß«, erwiderte sie.
    »Ein Überfall hat sie erwischt.«
    »Ich weiß.«
    »Woher?«
    »Weil du auf dem Markt mit unserer Anführerin gesprochen hast. Aber davor habe ich ihr schon von dir erzählt. Sie hat mir erlaubt, mich hier mit dir zu treffen.«
    Das verschlug Jebrassy die Sprache. Er konnte kaum fassen, dass eine Sama – eine Heilerin und Beraterin, der man persönliche Dinge beichtete – sein Vertrauen genauso unbekümmert missbraucht hatte wie Khren.
    Kaum zu glauben, aber derzeit war alles im Wandel begriffen, selbst die Zeit. Ständig gab es Überfälle, und die Wächter verhielten sich anders als früher. Er sah es fast vor sich, wie die
Hochgewachsenen unter ihnen umhergingen. Warum sollte er noch irgendjemandem oder irgendetwas trauen?
    Tiadba, die merkte, wie bestürzt er war, griff erneut nach seinen Schultern, diesmal jedoch sanft. »Ich werde dir so viel erzählen, wie ich weiß. Die Sache ist so wichtig, dass du mir nicht mal was versprechen musst.«
    »Hat sie dir aufgetragen, mir das zu sagen?«
    »Nein, das tue ich auf eigene Gefahr.«
    Jebrassy schüttelte

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