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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Proszeniumsloge hocken.
    In dem schwachen Licht, das von der Schirmwand herüberdrang, stand sie auf.
    Erleichtert atmete Jebrassy mit einem Seufzer aus.
    »Für was hast du mich denn gehalten?«, fragte Tiadba.
    »Du kommst spät.«
    »Netter kleiner Tanz, den du da aufgeführt hast. – Warum bist du hierhergekommen? Nur weil ich dich darum gebeten habe?«
    »Ich bin früher schon hier gewesen. Ist ja keine große Sache. Darf ich auch mal Fragen stellen?«
    »Klar doch.«
    »Die Frauen unserer Art mögen in der Regel normale bodenständige Männer mit normalen bodenständigen Anschauungen. Warum bist du anders?«
    Tiadba schlenderte unten an der Lichtwand entlang und schlug einen Bogen um die Schutthaufen. »Nicht bei allen von uns fließt das Blut so langsam.« Sie musterte etwas auf dem
Boden, blieb stehen und holte tief Luft, während ihre Schultern sich anspannten.
    Jebrassy gesellte sich zu ihr. Sie war auf einen verschrumpelten Leichnam gestoßen – einen Angehörigen ihrer Art, der jung gestorben war. Er lag zusammengekrümmt im Geröll, übersät mit Staub und Flocken des verkrusteten Belags, die von der Lichtwand hierhergetrieben waren.
    Tiadba kniete sich hin, um den Schmutz von dem Toten zu fegen. »Manche von uns machen sich auf die Suche … Ein paar Dutzend in jeder Generation, Aufwiegler, Unruhestifter. Nicht mal der Düstere Aufseher hat den hier gefunden. Wir beide könnten genauso enden. Macht dir das Angst?«
    Jebrassy ließ zwei Finger im Uhrzeigersinn kreisen, und Tiadba tat es ihm nach, um Einverständnis zu signalisieren. »Es mag uns erschrecken«, sagte sie nachdrücklich, »aber es wird uns nicht aufhalten.«
    »Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet.«
    »Manche behaupten, wir seien Spielzeuge oder niedliche Haustiere. Aber ich weiß, dass wir wichtiger sind. Wir sind das Ende eines langjährigen Experiments. Deshalb geistern wir herum. Und die Hochgewachsenen wollen, dass wir es tun.«
    »Und woher weißt du das? Wie kannst du dir da sicher sein?«
    »Wenn ich’s dir zeigen soll, musst du mir zuerst drei Dinge versprechen.«
    »Alle guten Dinge sind drei, wenn’s nach dir geht, stimmt’s?«
    »Dreiecke sind stabil. Du hast ja selbst gesagt, dass Frauen nach Stabilität streben.«
    Jebrassy zog die Brauen zusammen.
    »Du musst mir versprechen, dass du’s niemals jemand anderem verrätst.«
    »Und was noch?«
    »Du musst mir versprechen, dass du das, was du erfährst, für all unsere gemeinsamen Entdeckungen nutzen wirst und nicht nur für dich selbst. Du wirst nicht auf eigene Faust nach Ruhm und Ehre streben.«
    Das tat weh, denn genau das war es, was er vorgehabt hatte. »Was noch?«
    »Du darfst dich weder allein noch mit jemand anderem auf den Marsch begeben, jetzt noch nicht. Du erklärst dich damit einverstanden, dass man dich auswählen wird. Wählt man dich nicht aus, bleibst du in den Ebenen.«
    »Nichts ist einen solchen Preis wert. Ich würde …« Ihn schauderte. »Der Gedanke, niemals von hier wegzukommen, würde mich in den Wahnsinn treiben.«
    Der erbitterte Blick aus Tiadbas zusammengekniffenen Augen verriet Jebrassy, dass er einen schwerwiegenden Fehler gemacht hatte.
    »Dann geh jetzt«, sagte sie. »Ich bleibe noch hier und komme ein bisschen später nach. Man sollte uns nicht zusammen sehen. Wenn ich zurück bin, melde ich diesen armen toten Forscher bei den Wächtern.«
    Jebrassy drehte sich um und setzte sich an den Rand der Proszeniumsloge. Was konnte sie ihm schon anbieten, das ein solches Opfer, eine solche Knechtschaft aufwog?
    »Es wird tatsächlich ein Jugendmarsch stattfinden«, sagte Tiadba in seinem Rücken, wobei ein seltsames Zittern in ihrer Stimme mitschwang. »Die Teilnehmer werden sehr sorgfältig zusammengestellt. Leider verzögert das die Sache. Wir alle sind ungeduldig, aber es muss noch vieles vorbereitet werden. Trotzdem wird’s bald losgehen.«
    Jebrassy hatte munkeln hören, dass handverlesene Gruppen zusammengestellt, ausgebildet und in die Hochwasserkanäle geschickt werden würden, doch bis jetzt waren es nur Gerüchte gewesen.
    »Wir haben einen Plan und eine Anführerin«, erklärte Tiadba. »Es ist jemand, dem wir vertrauen.«
    Das klang so, als könnte es stimmen. Von jeher hatte Jebrassy sich gefragt, wie jemand ohne Ausbildung, Essensvorräte und Ausrüstung in dem unbekannten Gebiet jenseits der Kalpa überleben sollte.
    Als Tiadba sich leise und mit anmutigen Bewegungen neben ihn setzte, war er erneut von ihr

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