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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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wohl nie gefunden werden.
    Wegen einiger umstrittener Details hatten die Spitzenleute der Geheimdienste in Langley und Pullach den ›Flashlight‹-Start bislang verzögert. Jetzt drängte die Zeit und verdrängte alle Bedenken, und so mußte ›Flashlight‹ heute noch anlaufen.
    Der Tristar-Jet, von seinen Besatzungen und den Reisebüros ziemlich offen als ›Liebesbomber‹ verspottet, kam heute ausnahmsweise nicht aus Düsseldorf, sondern stand schon am Nachmittag am Abstellplatz in Schneeregen und Nebel. Bis zum Abflug blieben noch sechs Stunden, aber die ersten Passagiere waren schon eingetroffen, sei es, daß sie Reisefieber hatten oder von auswärts anreisen mußten und keine Verspätung riskieren wollten.
    Der Abfertigungsschalter blieb noch lange geschlossen, aber schon bildete sich eine Schlange. Offensichtlich konnten es die Charter-Reisenden nicht erwarten, in das Paradies der Träume und der Triebe zu starten: gepflegte ältere Herren neben leicht verwilderten jüngeren Männern, Pärchen und Damen in den besten Jahren, Kraftmeier neben Kümmerlingen, Angeber neben Schnorren. Eine geschlossene Gesellschaft der offenen Wünsche; aber nicht alle folgten westöstlichem Liebeswahn. Unter den Passagieren waren auch Wetterflüchtlinge, Pensionisten und Fernost-Enthusiasten. Am lautesten gaben sich die passiven Mitglieder eines Fußballvereins aus der Landshuter Gegend; sie hatten sich mit den Keglern aus dem benachbarten Dingsbach zu einem Männerausflug zusammengetan. Die Trockensportler, geschart um den dicken Baustoffhändler Brennhuber, dem Sponsor beider Vereine, waren schon mächtig angefeuchtet.
    »Mensch, Xare«, forderte Anderl, ihr Wortführer, ein Fuhrunternehmer, Brennhuber auf, »schließ doch endlich deinen Hosenladen!«
    Während die Hand des Erschrockenen nach unten fuhr, bemerkte Plischke, der Berliner, ein Exote in dieser bajuwarischen Runde: »Laß doch! Ein toter Vogel fällt nicht aus dem Nest.«
    Das Gelächter der Urlauber aus Niederbayern, dem Land wo Milch und Honig fließen – wenn man Milch mit Bier und Honig mit Geräuchertem gleichsetzt –, explodierte. Abseitsstehende kamen näher, andere schoben sich weg.
    Auch Ferry Fenrich traf jetzt viel zu früh auf dem Flughafen in Riem ein, weniger weil er Reisefieber hatte, sondern weil er fürchtete, durch einen Zufall doch noch aufgehalten zu werden. Über zwei Stunden waren noch zu überbrücken. Der Architekt ging an die Bar und spülte die Zeit in kleinen Raten hinunter.
    Er dachte an die elf Termine, die ihm Annabelle für Montag und Dienstag zusammengestellt hatte, und genoß seine Schadenfreude; bis dahin erreichte er einen Vorsprung von zwei Tagen. Der Architekt hatte vergessen, beim Reisebüro eine Nachricht für seine supertüchtige Assistentin zu hinterlassen; er kritzelte auf ein Stück Papier:
    ›Bin verschwunden. Nachforschungen zwecklos und unerwünscht. Ich werde mich melden, wenn ich es für richtig halte. Bis dahin verlasse ich mich auf Sie, Carissima.
    Seien Sie nicht zornig.
    Im übrigen haben Sie Vollmacht.
    Herzlicher Gruß
    Ihr‹
    Ferry Fenrich setzte seinen Namen darunter, steckte den Zettel in einen Umschlag, adressierte ihn an RO-Reisen zwecks Weitergabe und lächelte wie ein Erstkläßler, dem es gelungen ist, dem Lehrer Maikäfer ins Bett zu schmuggeln.
    Auf der Poststelle begegnete er einem hochgewachsenen Gentleman mit einem von Silberhaaren umrankten Pferdekopf; er war Dr. Manfred Giraff, ein Internist, für den Ferry einen Praxisanbau entworfen hatte. Dem Architekt wurde klar, warum der Mediziner, der nicht auf ihn achtete, zweimal jährlich für vier Wochen wegen ›ärztlicher Weiterbildung‹ seine Praxis schloß. Dr. Giraff gab ein Telegramm nach Bangkok auf; es war unschwer zu erraten, daß er dort erwartet wurde.
    Ferry entfernte sich aus dem Postbüro, bevor ihn der Pferdekopf sah; er würde ihm noch früh genug im Flugzeug begegnen.
    Andere Passagiere aus München, wie Dany Callway, kamen erst im letzten Moment. Sie hatte sich bereits von ihrer Mutter verabschiedet und hielt sich vor dem Abflug noch in Frank Flessas Penthouse über der GLOBUS-Redaktion auf. Das Licht war gedämpft, zärtlich die Musik. Sie hatten einander geliebt, und dann war Dany eingeschlafen. Der Feuerschein huschte über ihr pikantes Gesicht, das ein winziges Lächeln festhielt, gerade so viel, daß die hübschen Grübchen zu sehen waren.
    Im Kamin knisterten die Buchenscheite. Der Feuerschein flackerte über Danys

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