Die Stadt der Engel
Körper. Frank Flessa, ein notorischer Junggeselle, war kein Voyeur, aber er schaffte es nicht, den Blick von der Schlafenden zu nehmen. Er mußte Dany einfach anstarren, wiewohl er wußte, daß sie es nicht leiden konnte. Sie wirkte schlank und groß, ohne Defizit an Rundungen. Sie hatte wohlgeformte Beine, die nicht enden wollten. Ihre halblangen, apart geschnittenen Haare umrankten eine ovale Stirn wie eine zerwühlte Girlande. Vielleicht hatte Susanne im Bade so ausgesehen, oder Eva im Paradies unter dem Apfelbaum. Dany war eine Schau von Frau, ein Naturereignis. Der Ladykiller war entflammt wie kaum jeweils zuvor, und auch Dany hatte ihn gern. Jedenfalls war er der einzige, dem sie körperliche Intimität nicht versagte. Wovon andere Männer träumten, konnte er haben, aber irgendwie war er dabei verunsichert. Mitunter fürchtete der Erfahrene, daß Dany ihn über sich ergehen ließ wie einen Regenschauer, hoffend, daß er bald enden würde.
Danys Erwachen wischte ihr das Lächeln aus dem Gesicht. »Warum fixierst du mich eigentlich so, Frank?«
»Weil du schön bist.«
»Aber diese Erkenntnis ist doch wohl nicht mehr so neu«, erwiderte sie.
»Aber immer wieder aufregend«, entgegnete Mr. Globus.
»Dann reg dich ab und sei zufrieden!« spöttelte Dany lachend und sprang auf. »Außerdem müssen wir zum Flughafen.«
Er erhob sich, ging an die Bar und mixte zwei Daiquiris mit viel Rum und wenig Zucker, genau wie Dany es mochte. Er kam zurück, reichte der Freundin ein Glas. »Cheers!« sagte er. »Auf dich.«
»Auf uns«, verbesserte sie ihn und lächelte wieder.
Die Journalistin stand auf, um ins Bad zu gehen; er hörte, wie der Strahl auf ihre nackte Haut prasselte. Seitdem der Redaktionsdirektor an Dany geraten war, stand sein erotisches Weltbild köpf. Er war ein Frauenkenner und hatte sofort erfaßt, daß diese verführerische Frau nur schwer verführbar war und daß er sich ihr nur mit ganz kleinen Schritten nähern durfte: Blumen, Einladungen zum Abendessen, gemeinsame Theater- und Konzertbesuche. Als wirksamste Werbung erwies sich seine Zurückhaltung.
Sonst hatte der Ästhet auf dem Chefsessel nach einiger Zeit immer überlegt, wie er seine unständigen Begleiterinnen mit Anstand wieder loswürde; bei Dany stellte sich die Frage, wie er sie festhalten könnte.
Viel, das mußte er sich eingestehen, war ihm dabei noch nicht eingefallen; er trat auf der Stelle.
Sie fuhren mit dem Lift nach unten; Flessa brachte die Freundin zum Flughafen. »Manchmal habe ich das Gefühl«, räsonierte er, »daß du mich über dich ergehen läßt wie den Zahnarzt oder den Gynäkologen.«
»Unzufrieden?«
»Ein wenig«, entgegnete Frank. »Sag nur ein Wort, und ich werfe meine Prinzipien über Bord und …«
»Keine Hochzeitsglocken, bitte!« unterbrach ihn Dany. »Ich bin mit unserem Status recht zufrieden, und du hast es doch von allen Bewerbern am weitesten gebracht. Du liegst an der Spitze.«
Sie erreichten Riem. Bruno, der Tüchtige, hatte Danys Koffer schon eingecheckt. Sie brauchte nur noch die Platzkarte in Empfang zu nehmen und Frank zum Abschied zu küssen. So ziemlich als letzte reihte sich Dany in die Reihe ein und erkannte unter den Mitreisenden einen Untersetzten mit aufgedunsenem Gesicht; er war Persulke, ein soeben wegen Mangel an Beweisen freigesprochener Großimporteur rassiger Thai-Mädchen. Die Journalistin gratulierte sich zur Teilnahme an dem Flug LTU 200, der sich rentieren müßte, selbst wenn sich ›Flashlight‹ als Flop erweisen sollte. Sie sezierte die Typen; sie verstand sich auf Menschen: die meisten Passagiere flogen nach Bangkok wohl der Liebe wegen, Männer und Frauen, jung und alt – und in manchem Gesicht hing die Erwartung greifbar wie Spinnennetze in der Rumpelkammer.
Dany passierte Zoll- und Polizeikontrolle und bestieg den Bus, der sie zum Startfeld fuhr. Hier fiel ihr erstmals der mittelgroße, mittelalte Mann auf, dessen Begleiterin, ein Thai-Mädchen, die Blicke der Mitreisenden auf sich zog. Sie war hübsch, zierlich, mandeläugig, dunkelhaarig, und sie lächelte wie eine Verheißung, wie ein Vorschuß auf das Land, in das sie flogen.
Dany beachtete mehr den Mann als die Frau, fixierte sein vernarbtes Gesicht und stellte fest, daß er die Thai-Sprache hervorragend beherrschte, was für einen Europäer fast unmöglich war. Manche Worte hatten acht, neun verschiedene Bedeutungen, die sich nur durch die Betonung und Stimmlage unterschieden.
Dany stieg die Gangway
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