Die Stadt der Engel
Hüfte gelegt, lächelte Malee zu und sah auf die Uhr.
»Don't wolly«, sagte das Thai-Mädchen. »Plenty of time.«
Malee konnte sich in etlichen Sprachen zumindest verständlich ausdrücken; es war sogar mehr als ›Pillow Language‹, die Kopfkissensprache. Morgen nachmittag würde sie zum Beispiel Manfled mit ›Helzlich willkommen‹ begrüßen.
»Ale you fit, Fled?« fragte sie.
»Topfit and happy, Darling«, erwiderte der Scheidende, zog Malee an sich und küßte sie: »I am sure, I love you.«
Jeder in Thailand wußte, daß die ›Amelicans‹ mehr Geld hatten als die ›Neckelmanns‹, aber wenn einer der Deutschen besonders großzügig war, bewerteten ihn Thailänder als Amerikaner. Der Autohändler aus Denver hatte seinen Aufenthalt um eine Woche verlängert und Malee damit beinahe in Schwierigkeiten gebracht, zumal er noch länger bleiben wollte. Sie konnte ›Fled‹ überreden, vor der Heimreise noch ein paar Tage Zwischenaufenthalt in Hongkong einzulegen, andeutend, daß sie vielleicht nachkäme – und gerade noch rechtzeitig war er auf ihren Vorschlag eingegangen. Solche Beinahepannen kamen in ihrem Alltag öfter vor, aber das Thai-Mädchen fürchtete sie nicht, ganz der Philosophie ihres Landes ›mai pen arai‹ ergeben. ›Das macht nichts‹, heißt in wörtlicher Übersetzung dieses thailändische ›Take it easy‹.
Der Amerikaner zog sich rasch an, griff nach seiner Brieftasche, nahm einen Packen Scheine und legte ihn auf den Tisch. Die ›Amelicans‹ waren nun mal formlos; die ›Neckelmanns‹ – so nannte man die Deutschen nach einem Reisebüro – überreichten ihre Zuwendungen meistens mit einem Blumenstrauß im Umschlag. ›Flancesco‹, der Venezianer, der immer im März kam, schob seinen Beitrag für Apartment und Wagen jeweils taktvoll unter die Kaffeetasse, und Hihito, der Japaner – der anspruchsvollste von allen –, bugsierte seinen Obulus in die Tasche von Malees Morgenrock.
Fled ging, Manfled kam; der Neckelmann folgte dem Amelican so sicher wie der Februar dem Januar. Malee war ein Mädchen auf Zeit, eine Vier-Wochen-Ehefrau, und sie hatte weder Hemmungen noch ein schlechtes Gewissen dabei. Sie machte alle glücklich, war ihnen eine hingebungsvolle Gefährtin, forderte nichts und zeigte ihnen das Land. Jeder ihrer Zeitgefährten hatte seine Vorzüge und seine Schwächen, aber alle waren lieb und großzügig zu ihr. Malee mochte die Männer; sie waren das Material, aus dem sie ihr Leben formte.
Mit Fled Miller, dem früheren Vietnam-Piloten hatte sie eben drei Wochen am Strand von Pattaya zugebracht. Mit dem Mann von Morgen würde sie voraussichtlich den Naturschutzpark von Lan Sang aufsuchen. Dr. Giraff liebte nicht nur sie, sondern auch ihr Land. Bevor er Malee kennengelernt hatte, war er drei Wochen lang als kurzgeschorener Bettelmönch im safrangelben Gewand in Thailand unterwegs gewesen, um sich freilich – als er die Kutte ausgezogen hatte – weit weniger mönchisch zu geben.
Er eröffnete immer die Saison, meist schon im August oder September, im Oktober kam der Franzose, im November ein Engländer, im Januar der Mann aus Denver und im Februar Dr. Giraff, als einziger ein zweites Mal. Im März folgte der Venezianer und im April als Schlußlicht der Japaner. Immer der gleiche, alle Jahre wieder, und jedem von ihnen war Malee absolut treu für vier Wochen, dem Arzt aus München mit Unterbrechung gleich zwei Monate lang. Keiner ihrer Abonnenten hatte sich bei Malee jemals etwas anderes geholt als Lust, Freude und köstliche Zweisamkeit. Keiner wußte etwas von dem anderen, und so waren sie alle glücklich. Das Thai-Mädchen hatte kein schlechtes Gewissen; auf eine raffinierte Art war Malee unverdorben.
Einer ihrer Abonnenten würde sie heiraten, sie wußte nur noch nicht, welcher. Selbst wenn – wie sie annahm – jeder zweite mit der Behauptung log, er hätte keine Frau zu Hause, blieben immer noch drei Kandidaten zur Wahl. Höchstens ein Jahr noch, nahm Malee sich vor, dann wollte sie sich entscheiden. Sie konnte jederzeit aussteigen, sie hatte keinen ›Beschützer‹ und so auch keinen Ausbeuter.
»All right«, sagte Fled. »Let's go.«
Predi nahm ihm den Koffer ab. Malees Bruder war hilfsbereit wie alle Thais, ein kleiner schmächtiger Mittzwanziger mit dunklen Haaren und dunklen Augen, der Typ des Federgewichtsboxers. Während er mit dem Gepäck des amerikanischen Besuchers in die Tiefgarage fuhr, wartete Malee und ihr Freund auf den kleinen
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