Die Stadt der Engel
wurde auch die CIA-Zentrale in Langley auf Garella aufmerksam. Man überbot sich mit Offerten, aber er ließ sich nicht ködern, nicht durch Geld und nicht durch enorme Aufstiegschancen. Daß er sich schließlich doch noch für den Untergrund verpflichten ließ, lag nur an Garella selbst: Er liebte Thailand, wie man an seiner Heimat hängt, und er wollte nicht, daß aus dem südasiatischen Königreich ein zweites Vietnam würde.
Diese Zuneigung verlieh Paul Garella im Untergrund eine rare Qualität: Er war kein Söldner, sondern ein Idealist, kein folgsamer Apparatschik, sondern ein fantasievoller Regisseur, nicht selten sowohl sein eigener Drehbuchautor wie sein Hauptdarsteller. Er stellte die Sache über alles – und, das vermutete Carol, wohl auch über sein Geschlecht.
»Wie gefällt Ihnen Ihr neuer Befehlsstand?« fragte die subversive Diplomatin.
»Ausgezeichnet«, antwortete er, »so wir rasch vorankommen. Sollte das aber nicht der Fall sein, fliegen wir hier garantiert binnen weniger Tage auf.«
»Major Vasatrana ist sehr optimistisch«, versetzte Carol. »Bis jetzt läuft Stufe II genau nach Plan. Jim und Hilary sind auf dem Airport schon durch. Nicht das geringste Anzeichen einer Beschattung. Vasatrana sondiert selbst am Airport Don Muang.«
»Sind denn seine Leute so schlecht?«
»Ganz im Gegenteil«, behauptete Carol. »Sie sind blind auf ihn eingeschworen. Aber er gehört zu den Chefs, die alles selbst erledigen wollen. Handeln Sie denn nicht genauso, Paul?«
»Mitunter kann das richtig sein«, knurrte er unwillig. »Aber grundsätzlich putzt sich ein General nicht selbst die Schuhe.«
Das Telefon meldete Vasatranas Ankunft.
»Gut, Carol«, verabschiedete sich Garella von seiner Mitarbeiterin: »Ich möchte Sie nur noch darum bitten, daß Sie, gleichgültig was geschieht, ab sofort ganz in der US-Botschaft wohnen und ständig erreichbar sind. Good luck.« Er nickte Carol zu.
Dann brachte ihn der Lift nach unten in das Hauptquartier der Verschwörung.
Major Vasatrana stand einen Moment lang verblüfft vor Paul Garella und betrachtete sein Zweitgesicht: »Fantastisch«, sagte er. »Ihre eigene Mutter würde Sie nicht wieder erkennen.«
Sie begrüßten einander landesüblich, höflich und herzlich, doch ohne Händedruck.
»So etwas ist schließlich auch der Zweck der Übung«, erwiderte Garella. »Außerdem ist meine Mutter längst gestorben.« Er zündete sich eine Zigarette an und setzte hinzu: »Besten Dank für Ihre Wachsamkeit, Somjot. Wer hat den Brief nach München abgefangen?«
»Leutnant Nakorn«, antwortete der Major. »Und zwar völlig unauffällig.«
»Tüchtiger Mann …«
»Ich arbeite nur mit solchen«, behauptete Vasatrana arrogant. »Andere halten sich bei mir keine Stunde.« Er wirkte wie aufgezogen. »Tom ist ebenfalls durch«, berichtete er. »Noch immer keine Reaktion. Entweder sind unsere Gegenspieler schlauer, als wir annehmen, oder Langley ist wasserdicht, und der Maulwurf sitzt in Pullach.«
»Oder man will bei uns diesen Eindruck erwecken«, ergänzte der Operationsleiter.
»Das ist nicht auszuschließen«, entgegnete Somjot Vasatrana, und sein Gesicht zeigte ein Lächeln. Für Garella, den Thailand-Experten, war es keine undurchdringliche Mauer.
»Sie fragen sich natürlich jetzt, warum ich diese umständliche Prozedur veranlasst habe, Somjot.«
»Nein«, erwiderte der Major. »Ich nehme an, Sie wollten unsere Gegenspieler verwirren.« Er nickte Garella zu. »Bei mir ist Ihnen das jedenfalls gelungen.«
Vasatrana sprach gleichermaßen gut englisch wie deutsch und auch noch ein passables Französisch. Der große Gregory protegierte den Sohn einer angesehenen Familie, der sich als junger Verbindungsoffizier bereits bewährt hatte, als US-Bomberpulks von thailändischen Basen aus zum Angriff auf Vietkong-Stellungen gestartet waren. Später hatte Vasatrana in Langley und auf der US-Agentenschule im oberbayerischen Oberammergau eine Spezialausbildung erhalten.
Der Thai-Patriot war Junggeselle; er glänzte auch als Sportsmann, fest in allen Sätteln sitzend. Ein Tennis-Crack, ein Golf-As, ein Segel-Sieger, sogar ein bekannter Pilot. Einer, der es ganz schnell sehr weit bringen würde und an dessen prowestlicher Einstellung nicht zu zweifeln war. Zwar wußte fast jeder in Thailand, daß man mit den Yankees besser fuhr als mit den Russen, aber das dem Buchtitel ›The Ugly American‹ entlehnte Schlagwort vom ›häßlichen Amerikaner‹ hatte vor allem in
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