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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Uhr.
    »Wenn du Streit suchst, Ferry, ist das deine Sache«, entgegnete Clarissa. »Ich jedenfalls bin gekommen, um dir zu helfen.«
    »Wie nett von dir«, versetzte der Architekt. »Aber am nettesten hätte ich es empfunden, wenn du zu Hause geblieben wärst.«
    Normalerweise sprang sie ihm für eine solche Bemerkung ins Gesicht, aber offensichtlich war Clarissa heute entschlossen, nicht gegen das rote Tuch zu rennen. »Ich lasse mich von dir nicht provozieren«, behauptete sie.
    Ferry stellte fest, daß seine vormals ständige Begleiterin sich auch aus der Nähe sehen lassen konnte. Ihr ovales Gesicht mit dem nach oben verschobenen Haaransatz, der ihre Stirne höher wirken ließ, war ungemein gepflegt, das Make-up unauffällig und tropenfest, sicher das Werk eines erstklassigen Visagisten. Zwei Scheidungen waren der Fünfunddreißigjährigen sowenig anzusehen wie gelegentliche Alkoholexzesse. Häufige Aufenthalte in Schönheitsfarmen waren für die Millionenerbin so zwingend wie die Fastenregel für eine Nonne.
    »Ich kenn' dich, Ferry«, fuhr Clarissa fort. »Ich weiß, daß du kochst, aber ich nehme deinen Zorn auf mich. Ich bin einfach der Meinung, daß man einen Freund nicht im Stich lassen kann, wenn er in einer schlimmen Lage steckt und durchdreht.«
    »Na, dann kommen wir ja allmählich zur Sache«, erwiderte der Wikinger. Er winkte den Keeper heran und sah Clarissa fragend an.
    »Gin-Orange«, sagte sie.
    »Genau das Richtige für diese Hitze am Nachmittag«, brummelte Fenrich und bestellte sich Orange ohne Gin, um zu demonstrieren, daß er sich nicht benebeln lassen wollte, weder von seiner Exfreundin noch von den Promille im Blut und erst recht nicht von dem aufreizenden Parfüm, das eigens für sie hergestellt wurde, in den Versionen ›Day‹, ›Evening‹ und ›Night‹. Die Duftkreation führte schlicht den Namen ›Clarissa‹; sie war für andere nicht käuflich – und wohl auch nicht bezahlbar.
    »Warum bist du eigentlich heute sozahm?« fragte Fenrich.
    »Du siehst mich schon seit einer Weile ganz falsch«, erwiderte sie. »Ich weiß, daß du im Moment voller Aggressionen gegen mich bist, aber der Klügere gibt nach.«
    »Hat dich vielleicht meine liebe Assistentin so treffend auf mich eingestellt?« spöttelte der Architekt.
    »Du weißt genau, daß Annabelle und ich uns nicht ausstehen können.«
    »Wie Hitler und Stalin«, entgegnete er. »Trotzdem waren sie eine Zeitlang Zweckverbündete.«
    »Spar dir deine geschmacklosen Vergleiche.« Ferry war es gelungen, Clarissa nun doch in Rage zu versetzen. Mit nervöser Geste entnahm sie ihrer Handtasche einen Stapel Briefe. »Von deinem Büro«, erklärte sie. »Du kannst den Text später lesen. Ich gebe dir einstweilen eine Kurzfassung. Brief Nummer eins«, begann sie: »Das Finanzamt lehnt jeden Vergleich ab und besteht unter Androhung der Zwangsbeitreibung auf der vollen Nachzahlung mit Säumniszuschlägen. Alles in allem fast eine halbe Million Mark.«
    »Kleine Fische«, erwiderte der Architekt großartig.
    »Gib nicht so an!« versetzte Clarissa.
    »Außerdem sollte sich das Finanzamt doch mal lieber um Politikerspenden kümmern in unserer Flickokratie, statt ein hart arbeitendes Architektenbüro zu schikanieren«, schimpfte er.
    »Es kümmert sich aber zur Zeit um deine Firma und dabei besonders um dich. Man verübelt dir, daß bei aufwendigen Dienstreisen nach St. Moritz, Cannes, Kopenhagen und New York deine jeweilige Begleiterin über Spesen gelaufen ist.«
    »Und in Paris – und in Rio«, erwiderte Fenrich und grinste, denn an die Seine und nach Brasilien hatte ihn Clarissa begleitet.
    Sie griff nach dem nächsten Brief. »Nummer zwei«, zündete sie eine weitere Hiobsnachricht: »Das Freizeitcenter am Stadtrand von München ist nicht nur zurückgestellt worden, sondern endgültig geplatzt.« Sie nahm Brief Nummer drei. »Außerdem hat die Firma Haupt & Co. Konkurs anmelden müssen, womit ein weiteres Bauprojekt hinfällig wird. Die Universität besteht darauf, daß du deine Vorlesungen hältst, und zum Schluß soll ich dir noch bestellen, daß der Anwalt deiner Exgattin nach der Sperre der Kreditkarten eine Erhöhung der Alimentenzahlung fordert.« Clarissa kippte den Gin-Orange, bestellte einen zweiten. »Deine Lage ist ziemlich prekär, Ferry«, stellte sie fest. »Vor allem, wenn du die Dinge treiben läßt und dich in Bangkok herumtreibst.«
    »Soll ich mich erschießen?«
    »Das wäre eine Möglichkeit«, entgegnete Clarissa

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