Die Stadt der gefallenen Engel
ist, wir müssen siegen oder nichts wird den Fürsten der Hölle noch aufhalten, nun nachdem der Pakt gebrochen ist. Nur wir stehen zwischen ihm und dem Ende der Welt. Und wir sind nur wenige.«
»Wir dürfen nicht zulassen, dass dem Mädchen etwas geschieht. Lass mich zu ihr und mit ihr sprechen. Ich werde die richtigen Worte finden.«
»Du weißt, wir können das Haus nicht betreten, es ist unreines Gebiet, und wo immer das Mädchen auch hingeht, folgen ihr die Dämonen. Ich bitte dich um Geduld, Bruder. Vertraue mir.«
Arias senkte beschämt den Kopf, als er Gabriels flehenden Tonfall hörte, aber innerlich wuchs seine Unruhe. Alles in ihm brannte darauf, sich den dunklen Horden zu stellen und zu Ehren Gottes eines großen Sieg zu erringen.
»Ich werde dir vertrauen«, sagte Arias in die entstandene Stille hinein.
»Dann lass uns zu den anderen gehen. Wir wollen für Dariel beten.«
Lara stand am Fenster und sah nachdenklich in die Nacht hinaus. Der Traum war verflogen, aber noch immer verstörte er sie, so real waren die Bilder und ihre Angst gewesen. Ihre Kehle war wie ausgetrocknet. Nun trank sie in kleinen Schlucken und das kalte Wasser war eine Wohltat. Als sie das Glas auf der Fensterbank abstellte, bemerkte sie das Aufleuchten der Scheinwerfer eines alten Fahrzeugs, das gerade dabei war, aus einer Parklücke zu rangieren. Der Fahrer schien nicht besonders geübt zu sein. Er musste mehrmals vor- und zurücksetzen, bevor er in die Fahrspur einbog.
Lara blickte auf die Leuchtziffern ihres Weckers. Vier Uhr morgens. Ungewöhnlich, aber nicht bemerkenswert. Wahrscheinlich ein Frühaufsteher auf dem Weg zur Arbeit.
Irgendwie war an Schlaf nicht mehr zu denken. Der Traum war aufwühlend gewesen und nun war sie hellwach.
Sie schaute wieder aus dem Fenster. Der Mond stand hoch am Himmel. Sein fahles Licht konnte kaum die Schatten der Nacht verdrängen, aber es reichte aus, um die Fensterscheibe zum Glänzen zu bringen.
Plötzlich erschrak sie. Für einen Moment hatte Lara das Gefühl gehabt, jemand starre sie von der anderen Seite der Scheibe an, aber es war nur ihr Spiegelbild, das sich mit dem Abbild des Mondes vereinigte und etwas Neues schuf.
Fasziniert bewegte Lara ihren Kopf zur Seite, wand ihr Gesicht nach links und rechts. Jedes Mal entstand ein anderes Bild, aber jedes dieser Bilder ließ ihr Gesicht wie eine Fratze aussehen. In einem Moment war sie ein katzenartiges Wesen mit schmaler Schnauze und kleinen scharfen Reißzähnen, im nächsten Augenblick zerflossen ihre Wangen und ihre Nase zu einem bleichen Totenschädel, der sie aus glühenden Augenhöhlen anstarrte.
Eine plötzliche Erkenntnis jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Wenn sich bei Bewegung alles in ihrem Spiegelbild veränderte und verschob, warum blieben ihre Augen dann davon ausgenommen? Warum hatten sie stets die richtige Proportion, verzerrten sich nicht oder wurden unscharf? Was war hier los? Spielten ihr die Nerven einen Streich? War der Überfall doch nicht so spurlos an ihr vorübergegangen, wie sie gehofft hatte?
Lara kniff die Augen fest zu, zählte langsam bis zehn und öffnete sie schließlich zögerlich. Im Fenster war nun einfach nur ein Mädchen mit zersausten Haaren zu erkennen, das ziemlich müde aussah. Ihr Herz begann, wieder in einem normalen Rhythmus zu schlagen, und Lara bemerkte, dass ihre Füße eiskalt waren. Ihr war eiskalt. Lara fühlte sich unwohl. Die Sache mit dem Mondlicht auf der Fensterscheibe musste sie sich eingebildet haben und doch hinterließ es ein ungutes Gefühl in ihr. Sie schlich schnell zurück ins Bett und zog die Decke bis ans Kinn. Es dauerte lange, bis sie endlich wieder eingeschlafen war.
14.
»Was hast du heute vor?«, fragte ihre Großmutter, als sie am Frühstückstisch saßen. Der Kaffee duftete herrlich und Lara biss herzhaft in ein Toastbrot, das sie dick mit Marmelade bestrichen hatte. Draußen vor dem Fenster herrschte trübes Grau. Es würde bald regnen. Trotzdem fühlte sich Lara so lebendig wie selten zuvor. Sie war in Berlin. In der Stadt, in der Damian lebte – und heute Abend würde sie ihn wiedersehen.
»Damian kommt später vorbei. Er möchte mit mir in eine Szenekneipe gehen.« Lara versuchte, so gelassen wie möglich zu klingen, doch sobald sie Damians Namen ausgesprochen hatte, schlug ihr das Herz bis zum Hals.
Beim Wort »Kneipe« hob ihre Großmutter missbilligend eine Augenbraue.
Lara verdrehte genervt die Augen. »Keine Sorge, Oma. Ich will
Weitere Kostenlose Bücher