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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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wären, von Dach zu Dach sprang. Manchmal überwand er so eine Kluft von zwanzig Metern und stets landete er sicher. Niemals rutschten seine Füße ab oder verloren seine Hände den Halt. Als er beobachtete, wie Lara die Boutique betrat, spürte er die Anwesenheit zweier anderer Engel, Arias und Sanael. Er wunderte sich darüber, dass sie ebenfalls in der Nähe waren. Aus seiner Position heraus konnte er zwar Lara sehen, aber durch den Dachvorsprung, auf dem er stand, blieb Sanael seinen Augen verborgen, da er sich senkrecht unter ihm aufhielt.
    Für einen kurzen Moment beobachtete er, wie der andere Engel die Straße entlangging, bevor er in einem Hauseingang verschwand. Gaval sandte eine telepathische Nachricht an die beiden Engel aus, aber sie hatten ihre Gedanken blockiert und so konnte er keinen Kontakt mit ihnen aufnehmen. Kurz darauf waren sie verschwunden, denn das Gefühl, andere Krieger in der Nähe zu wissen, verblasste in ihm.
    Das Mädchen verließ etwas später das Geschäft mit einer Tüte in der Hand und ging die Straße hinunter, bevor sie an der nächsten Abzweigung in eine schmale Gasse abbog und kurz darauf in einem alten Buchladen verschwand. Gaval riskierte einen waghalsigen Sprung, um auf das Dach zu gelangen, das dem Eingang gegenüberlag. Nun saß er hinter dem Schornstein und wartete ungeduldig darauf, dass Lara den Laden wieder verließ.
    Dies war eindeutig Dämonengebiet. Obwohl er die Krieger der Hölle nicht sah, spürte er doch ihre Anwesenheit. Ihre Aura schwebte über dem Viertel und veränderte die Teile des für menschliche Augen unsichtbaren Lichtspektrums, welches Engel allerdings sehr wohl wahrnehmen konnten. Farben verblassten, wurden von grauen und schwarzen Schleiern überlagert, die sich wie Dunst über alles schoben, was in ihren Einflussbereich geriet. Auf die Menschen mochte das Stadtviertel lediglich etwas heruntergekommen und nicht sonderlich farbenfroh wirken, aber Gaval wusste es besser.
    Dies war ein gefährlicher Ort und er war allein. Er fürchtete sich nicht, aber er ignorierte auch nicht die Möglichkeit, entdeckt zu werden. Was sollte er tun?
    Falls Lara tiefer in das Gebiet der Dämonen eindrang, konnte er ihr nicht folgen, andererseits musste er wissen, was das Mädchen vorhatte und ob ihr Gefahr drohte.
    Ein leises Schaben in seinem Rücken ließ ihn herumwirbeln. Gaval streckte den rechten Arm zum Himmel. Er flüsterte ein Wort und in seiner Faust erschien ein goldener Speer.
    Alles schien ruhig und unverdächtig, aber ein Kribbeln auf seiner Haut verriet ihm, dass er nicht mehr alleine war. Konzentriert suchte er das Dach ab. Alles wirkte normal, aber dann entdeckte er den Dämon, der sich in einen Wasserspeier verwandelt hatte und regungslos wie eine Steinfigur auf einem Mauervorsprung hockte. Er war nur etwa einen halben Meter groß und wirkte wie ein Gnom mit kurzen Gliedern. Das Gesicht hatte etwas Hundeartiges und nun bemerkte Gaval auch die Flügel auf seinem Rücken. Dies war ein Beobachter, kein Krieger.
    Das Wesen schien zu spüren, dass seine Tarnung durchschaut war. Es quietschte ängstlich und flitzte davon. Gaval jagte mit kraftvollen Sätzen hinter ihm her. Wenn das Wesen entkam, würden bald weitere Dämonen auftauchen und er wäre dazu gezwungen, seine Mission abzubrechen.
    Der Gnom raste den Dachgiebel entlang. Gaval sah, dass er versuchte, eine offene Dachluke zu erreichen. Sollte es ihm gelingen, ins Haus zu fliehen, würde es unmöglich werden, ihn zu erwischen. Der Engel legte all seine Kraft in einen einzigen Sprung. Den mit der Spitze nach unten gerichteten Speer mit beiden Fäusten umklammert, flog er durch die Luft. Senkrecht stieß er auf das Wesen herab, der Speer durchdrang den Körper des Dämons, dann jagten Flammenzungen den Schaft hinauf und das Wesen verging. Erleichtert ließ sich Gaval in die Hocke sinken. Er schloss die Augen, um sich zu beruhigen, und so sah er die riesige Pranke nicht, die mit einem Donnerschlag die Dachziegel durchbrach, seinen Hals packte und ihn in die Tiefe zog. Dort in der Dunkelheit des Hauses hatten Jäger gelauert und der Köder hatte den Feind zu ihnen geführt.
    Das Letzte, was Gaval von dieser Welt sah, bevor er in einem Lichtblitz verging, waren messerscharfe Krallen, die sich auf ihn stürzten.
     
    Als Lara den Buchladen verließ, hörte sie einen lauten Knall, der wie ein Donner klang. Sie sah zum Himmel auf, aber es waren keine dunklen Wolken zu sehen, also konnte ein Gewitter nicht die

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