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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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Großvater so, wenn er liest?«
    Gute Frage, dachte Lara und ärgerte sich darüber, dass sie ihre Großmutter nicht danach gefragt hatte.
    »Vielleicht können Sie mir etwas empfehlen.«
    »Hmm«, machte der Alte und es klang irgendwie vorwurfsvoll.
    »Mein Opa ist – oder besser gesagt er war – Professor für Geschichte hier in Berlin.«
    Ein Leuchten glitt über das Gesicht des Ladeninhabers. »Maximilian Hermsdorf!«, rief er aus. »Dann müssen Sie Lara sein, seine Enkelin. Er hat mir erzählt, dass Sie zu Besuch kommen.«
    Lara war verwirrt. »Sie kennen ihn? Berlin ist schließlich ganz schön groß …«
    »Oh ja«, unterbrach der Buchhändler sie. »Ihr Großvater ist seit mindestens einem halben Jahrhundert Stammkunde in diesem Laden. Ich kannte ihn schon, da war er noch ein vielversprechender Student mit jeder Menge Flausen im Kopf.« Der Alte lächelte.
    Lara schüttelte ungläubig den Kopf. Sie konnte es kaum glauben, dass sie mitten in Berlin zufällig auf einen Buchladen stieß, in dem man ihren Großvater kannte. Das war ja fast wie in Rottenbach! Aber ein Gutes hatte das Ganze. »Dann wissen Sie ja über seinen Geschmack Bescheid«, sagte sie erleichtert. »Bestimmt finden wir etwas für ihn.«
    »Aber natürlich. Seien Sie ganz unbesorgt. Erst letzte Woche war der Herr Professor hier und wir haben uns über verschiedene Bücher unterhalten, die er interessant fand. Zwei Titel hat er gleich mitgenommen, aber da sein Bargeld für das dritte Buch nicht ausreichte, hat er es hiergelassen.« Der alte Mann kratzte sich am Kinn. »Sie wissen es vielleicht nicht, aber Ihr Großvater bezahlt stets in bar. Er hält nicht viel von ›Plastikgeld‹, wie er immer sagt. ›Richtiges Geld für richtige Ware‹, so lautet sein Credo. Natürlich wollte ich ihm das Buch so überlassen und sagte ihm, er könne ja beim nächsten Besuch bezahlen, aber davon wollte er nichts hören.«
    Der Alte redete wie ein Wasserfall, und obwohl Lara ihn sympathisch fand, unterbrach sie seinen Redefluss. »Haben Sie das Buch noch?«
    »Oh ja, natürlich, selbstverständlich. Es muss hier irgendwo sein.« Verwirrt fuhr sich der Alte über den Kopf, so als streichle er seine Glatze. »Wo habe ich es bloß hin-’ gelegt?«
    Er ging zwei Schritte, blieb dann wieder stehen. Sein Kopf wackelte dabei, wie bei den Figuren, die sich manche Leute auf das Armaturenbrett ihres Autos stellten. »Es muss doch … verflixt aber auch …« Er wandte sich an Lara. »Einen Moment bitte.« Dann rief er laut und deutlich den Namen Robert. Eine Sekunde verging.
    »Robert?«
    Ein junger Mann in Laras Alter erschien durch eine Tür, die sie bis zu diesem Augenblick gar nicht bemerkt hatte. Er trug Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift einer Heavy-Metal-Band. Die dunklen Haare sahen verstrubbelt aus und er versuchte, sie unauffällig glatt zu streichen. Lara vermutete, dass er im hinteren Teil des Ladens geschlafen hatte. Die Augen des Jungen musterten sie neugierig.
    »Das ist mein Enkel«, erklärte der Ladenbesitzer. »Ein Nichtsnutz, wie er im Buche steht, aber er hat ein schlaues Köpfchen und das Gedächtnis eines Elefanten. Habe ich nicht recht, Robert?«
    »Wenn du es sagst, Opa.« Der Junge lächelte, als er Lara die Hand entgegenstreckte. »Robert Fischer, ihr untertänigster Diener, gnädiges Fräulein.«
    »Robert!«, schimpfte der Alte. »Bitte sei höflich und benimm dich. Du sprichst mit Kundschaft und außerdem ist diese junge Dame die Enkelin von Professor Hermsdorf.«
    Das Lächeln des jungen Mannes verschwand und in seine Augen trat ein merkwürdiger Ausdruck. Er legte den Kopf schief und betrachtete sie eingehend. »Dann bist du also Lara.«
    »Ja.« Offensichtlich wusste ganz Berlin, wer sie war und dass sie ihre Großeltern besuchte.
    »Ich habe von dir gehört.«
    Was für eine seltsame Feststellung, dachte Lara. Die Situation hatte etwas Skurriles, Unwirkliches.
    »Ich hoffe, nur Gutes«, meinte Lara und zwang sich, angesichts dieser dummen Floskel trotzdem zu lächeln.
    Sofort ging eine Veränderung mit dem Jungen vor. Er grinste breit und zwinkerte ihr zu. »Nur das Allerbeste.«
    »Können wir jetzt …«
    »Ach ja, das Buch«, unterbrach sie der Alte. »Hatte ich fast schon wieder vergessen. Robert, wo ist das Buch, das der Herr Professor sich angesehen hat?«
    »Du meinst ›Das Paarungsverhalten der Beutelmäuse auf Papua-Neuguinea‹?«
    »NEIN, das meine ich nicht«, erwiderte der Großvater gereizt. »Und

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