Die Stadt der gefallenen Engel
und das hatte sie Ben zu verdanken. Wäre sie seinetwegen nicht so am Boden zerstört gewesen, hätte ihre Mutter niemals dem Besuch bei den Großeltern zugestimmt.
»Du kannst gern vorbeikommen und dir selbst einen Eindruck von ihm machen. Wie du weißt, habe ich übermorgen … Ja, der Weg ist weit.«
Er lauschte wieder den Worten seiner Tochter und sagte schließlich: »Natürlich geben wir auf Lara acht … Ja, ich rufe dich an, wenn etwas sein sollte.«
Wieder vergingen Sekunden.
»Ja, wir sprechen uns übermorgen … Nein, ich werde ihr nicht sagen, dass du angerufen hast. In Ordnung? Bis dann.«
Lara konnte den Piepton des Akkus hören, als er den Hörer wieder auf die Station legte.
»Warum hat sie angerufen?«, fragte ihre Großmutter.
»Das hast du doch gehört, es ist …« Lara hatte ihr Gewicht auf den anderen Fuß verlagert und ein Dielenbrett knarrte.
Dann war plötzlich Stille und sie wusste, dass die Großeltern ihre Anwesenheit ahnten. Schnell huschte sie in die Küche und öffnete den Kühlschrank.
Kurz darauf stand ihre Großmutter in der Tür. Ihr misstrauischer Blick fiel auf den geöffneten Kühlschrank, dann auf Lara.
»Du bist ja schon wieder zu Hause! Wir haben dich gar nicht kommen hören.«
»Ja, ähm, ich bin auch eben erst zur Türe rein … und ich habe noch Hunger.« Lara räusperte sich. »Ist irgendetwas, weshalb seid ihr denn noch wach? Ich dachte, ihr …«
Lara konnte ihren Satz nicht zu Ende sprechen, da ihre Großmutter sie energisch unterbrach. »Was sollte das vorhin?«
Lara zuckte zusammen. Ihre Großmutter wusste, dass sie vor der Tür gestanden und gelauscht hatte. Aber dann sprach sie weiter und Lara fiel ein Stein vom Herzen.
»Ich meine die Sache mit Damian. Schließlich wart ihr verabredet! Und als er dich abholen will, öffnest du nicht einmal die Tür.«
»Mir ging es nicht so gut …«, versuchte Lara auszuweichen. Auf keinen Fall wollte sie gerade von dem Telefonat mit ihrer Mutter erzählen. Sie überlegte fieberhaft, was sie sagen konnte, als ihr plötzlich eine Ausrede einfiel. »Na ja, ich habe heute eine SMS von Ben gekommen …«
»Und?«
»Ich glaube, er will wieder mit mir zusammen sein.«
Marthas Gesichtszüge entspannten sich. »Und jetzt weißt du nicht, was du tun sollst?«
Lara nickte stumm. Sie fühlte sich unwohl dabei, ihre Großmutter zu belügen.
»Er hat dein Herz gebrochen und nun fragst du dich, ob du ihm noch vertrauen kannst.«
»Ja«, log Lara und fühlte trotz der netten Worte ihrer Großmutter eine seltsame Spannung in der Luft. »Genau so ist es.«
Eine Weile standen sie so da. Schweigend. Und Lara beschlich das Gefühl, dass sie nicht die Einzige war, die gerade nicht die Wahrheit erzählen wollte.
24.
Damian stand auf dem Dach eines alten Fabrikgebäudes und starrte in die Finsternis hinaus. In seinen Gedanken herrschte Verwirrung, aber auch Verzweiflung. Er war an diesen trostlosen Ort gekommen, um nachzudenken. Noch immer beunruhigten ihn die Gefühle, die er für Lara empfand.
Gefühle, die er nicht empfinden durfte.
Satan hatte ihm klare Befehle erteilt und er wusste um die Wichtigkeit dieser Aufgabe, dennoch zögerte er.
Ich bin, was ich bin.
Aber einst war er etwas anderes gewesen.
Ein Engel.
Vor langer Zeit. Einst war er das Licht gewesen.
Und nun war er die Dunkelheit.
Als Satan gegen Gott aufbegehrte, war er ihm aus Liebe und Freundschaft gefolgt. Satans Verrat hatte einen Krieg im Himmel ausgelöst, der jede Vorstellungskraft sprengte, und am Ende wurde er in die Hölle verbannt, so wie alle Engel, die ihm gefolgt waren. Sie wurden zu Dunklen Engeln und damit zu den Feinden der Himmelskrieger.
In Damian lebte jedoch die Sehnsucht nach dem Himmel weiter. Er verzehrte sich nach der Gemeinschaft der Engel, aber es gab kein Verzeihen und es würde auch nie ein Verzeihen geben. Also fügte er sich in sein Schicksal. Die gefallenen Engel dienten nun auf ihre Weise der göttlichen Ordnung, indem sie die finsteren Seelen der Menschen in die Hölle brachten. Die Seelen all jener, die an Gott gesündigt hatten. Diese Seelen wurden zu Dämonen, die in unendlicher Zahl die Hölle bevölkerten.
Seit Äonen herrschte Satan nun über dieses Reich aus Feuer und Schmerzen, aber seine Herrschaft war bedroht. Die Dämonen drängten darauf, auf die Erde zurückzukehren, denn in ihnen brannte die Sehnsucht nach der alten Welt, aber in ihren Seelen war alles Gute ausgelöscht. Sie kannten nur noch Hass. Hass,
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