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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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die war nirgends zu entdecken. Sie brachte es nicht übers Herz, den Alten stehen zu lassen, aber sie war noch immer beunruhigt wegen Damian und hatte einfach keinen Nerv, sich zu unterhalten.
    »… wir die Verlobung feierten und …«
    Unerwartet beendete der alte Fischer seinen Vortrag. Verlegen sah er sie an. »Aber ich rede zu viel …«
    Gott sei Dank. Er hat es gemerkt.
    »… ein junges Mädchen hat sicher andere Sachen zu tun, als meinen Erinnerungen zu lauschen.«
    Der Mann ist ein Gedankenleser, dachte Lara und grinste innerlich.
    Die Türglocke läutete melodisch. Endlich! Hastig entschuldigte sich Lara bei Herrn Fischer, ging zur Haustür und öffnete sie erwartungsvoll.
    Draußen stand Damian. Lara erschrak zutiefst. Er war noch bleicher als sonst und wirkte vollkommen erschöpft. Die Hand, mit der er sich gegen den Türrahmen gelehnt hatte, zitterte und auf seiner Stirn stand Schweiß.
    »Was … was ist mit dir?«, fragte Lara heiser vor Angst.
    »Nichts … ich weiß nicht. Kann ich …«
    Er stolperte ins Haus. Seine Hand löste sich vom Türrahmen und legte sich schwer auf Laras Schulter. Sie umfasste seine Hüfte und hielt ihn aufrecht, da sie befürchtete, er könne jeden Moment zusammenbrechen. Sein Atem strich über ihr Ohr.
    »Es geht gleich wieder, wahrscheinlich habe ich mir ein Virus eingefangen oder so etwas. Plötzlich wurde mir schwindelig und ich habe nur noch schwarze Flecken vor den Augen gesehen.«
    »Soll ich einen Arzt holen?«
    Damian schüttelte den Kopf. »Nein, das wird schon wieder in Ordnung kommen. Ich muss mich nur ein wenig ausruhen. Kann ich mich irgendwo hinsetzen?«
    In diesem Moment tauchte Martha auf. Ihr Gesicht drückte Besorgnis aus, als sie Damian ansah. »Was ist mit ihm?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Lara zu. »Er meinte, ihm sei schwindlig geworden, und jetzt fühlt er sich schwach.«
    »Vielleicht der Blutdruck«, vermutete ihre Großmutter. Sie wedelte energisch mit der Hand. »Aber egal, solange er sich kaum auf den Beinen halten kann, sollte er sich erst einmal hinlegen. Bring ihn rauf in dein Zimmer. Ich sage deinem Großvater Bescheid.«
    »Sollen wir einen Arzt rufen?«
    »Dafür ist immer noch Zeit, jetzt warten wir erst einmal ab, ob er sich nicht auch so erholt.«
    Nachdem Lara Damian die Treppe hinaufgeholfen und er sich bis auf sein T-Shirt und die Boxershorts entkleidet hatte, fiel er aufs Bett und gleich darauf in einen tiefen Schlaf.
     
    Die letzten Gäste hatten das Haus verlassen. Lara hörte, wie ihre Großmutter in der Küche mit dem Geschirr klapperte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihren Großeltern die ganze Arbeit überließ, aber gleichzeitig brachte sie es nicht über sich, Damian allein zu lassen.
    Im Raum herrschte das Licht einer einzelnen Nachttischlampe, die auf einem kleinen Tisch in der Ecke stand. Lara saß auf einem Stuhl und dachte nach.
    Sie machte sich keine Sorgen mehr, denn inzwischen hatte seine Gesichtsfarbe die unnatürliche Blässe verloren und sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Neben dem Bett lag Damians völlig zerfetzter Mantel auf dem Boden. Lara hob ihn auf, wendete ihn und betrachtete verwirrt die langen Risse auf der Rückseite. Es sah aus, als habe ein Raubtier mit messerscharfen Krallen Damian angegriffen, aber das war natürlich Unsinn. Gleiches galt für das Hemd, das er getragen hatte, auch hier war der Stoff in Fetzen gerissen worden. Was war bloß geschehen?
    Ihr Blick fiel auf Damians schmales Antlitz und sie dachte darüber nach, wie jung und verletzlich er im Schlaf aussah. Im Augenblick wirkte er wie ein kleiner Junge mit verstrubbelten Haaren – obwohl Lara wusste, wie viel Kraft in seinem Körper steckte.
    Als Damian sich im Schlaf drehte, erhob sich Lara und zog die verrutschte Bettdecke wieder über seine Schultern. Es klopfte leise an die Tür. Lara öffnete sie einen Spalt und blickte in die fragenden Augen ihrer Großmutter.
    »Wie geht es ihm?«
    »Ich denke gut. Er schläft noch immer«, antwortete Lara leise. »Meinst du, ich soll ihn wecken, damit er nach Hause kann?«
    Ihre Großmutter schüttelte den Kopf. »Lass ihn schlafen.«
    »Seine Kleidung ist zerfetzt und schmutzig. Kannst du ihm etwas von Opa ausleihen? Ein Hemd und eine Jacke vielleicht, damit er morgen früh etwas zum Anziehen hat?«, fragte Lara.
    Ihre Großmutter sah sie nachdenklich an, nickte dann aber. »Ich werde etwas vor die Tür legen.«
    »Danke, Oma.« Und nach einer kurzen Pause fügte sie

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