Die Stadt der gefallenen Engel
kleine Katze, so spät noch unterwegs? Oder bist du auf der Jagd?«
Plötzlich ging eine Veränderung mit der Katze vor sich. Ihr Rücken wölbte sich zu einem Buckel, der Schwanz richtete sich steil auf, alle Haare standen ab. Die Katze riss ihr Maul auf, zeigte die spitzen Zähne und zischte gefährlich.
Damian reagierte sofort. Er warf sich zu Boden, aber er konnte dem Schlag nicht mehr vollständig ausweichen. Messerscharfe Krallen fuhren über seinen Rücken, zerfetzten das Leder seines Mantels und hinterließen tiefe Spuren in seinem Fleisch.
Brennender Schmerz jagte durch seinen Körper, es schien, als würde sein ganzer Rücken in Flammen stehen, aber er tat dem Angreifer nicht den Gefallen, sich zusammenzukrümmen.
Im Gegenteil. Ungeachtet der Schmerzen rollte er sich zur Seite, obwohl das bedeutete, dass Druck auf die offene Wunde ausgeübt wurde. Keine Sekunde zu spät. Eine mächtige Pranke donnerte auf den Asphalt an der Stelle, an der sich eben noch sein Kopf befunden hatte. Ein enttäuschtes Brüllen erklang.
Damian nutzte das Zögern seines Gegners, um mit einem einzigen Satz auf die Beine zu springen. Sofort nahm er eine stabile Kampfstellung ein. Sein vorderer Fuß schob sich nach vorn, sodass sein Körpergewicht sich besser verteilte, während er den hinteren Fuß auf dem Absatz drehte, um mehr Stabilität zu erreichen. Beide Arme wurden zu einem rechten Winkel gebeugt und die Hände zu lebendigen Schwertern, die den Oberkörper schützten. Um die Mädchen, die ein Stück weiter unten auf der Straße standen, machte er sich keine Gedanken. Diese Straße war eindeutig Dämonengebiet, der menschliche Körper der beiden nur Tarnung, um sich ohne Aufsehen auf der Straße bewegen zu können. Damian konzentrierte sich auf seinen Gegner und stieß einen wilden Kampfschrei aus, der den Feind verunsichern sollte.
Als er sah, wer ihn angegriffen hatte, wusste er, dass ein derartiges Unterfangen sinnlos war. Vor ihm, im Licht einer einsamen Straßenlaterne, ragte Grum’aaks zweieinhalb Meter großer Körper wie ein dunkler Berg auf. Das hässliche Gesicht des Dämons war zu einer Maske aus Hass und Wut verzerrt. Gewaltige Muskeln bewegten sich unter der Haut, als er seine Fäuste öffnete und die langen, scharfen Krallen spielen ließ. Ein tiefes Schnauben erklang.
»Du bist es«, stellte Damian fest und versuchte, seine Stimme nicht zittern zu lassen.
Der Dämon warf sich nach vorn. Krallen zischten durch die Luft und drangen tief in seinen Arm ein. Als Grum’aak die Pranke zurückzog, riss er einen Teil des Oberarmmuskels heraus.
Die Schmerzen raubten Damian fast die Sinne. Er spürte, wie warmes Blut seinen Arm und seinen Rücken hinunterlief. Die Wunden waren nicht tödlich, sonst wäre er längst in einem Feuersturm vergangen, aber der Blutverlust schwächte ihn. Bald würde Grum’aak einfaches Spiel haben, wenn er zum vernichtenden Schlag ausholte. Er konnte sich heilen, aber dafür benötigte er Zeit. Zeit, die er nicht hatte.
Das Monster schnupperte geräuschvoll. »Du blutest, Herr.«
»Kümmere dich nicht darum, es ist nur ein Kratzer.«
Er taumelte plötzlich. Vor seine Augen trat Schwärze, die aber gleich wieder verging. Als sein Blick wieder klar wurde, stellte er fest, dass ihm die Füße weggesackt waren und er am Boden kniete.
»Nur ein Kratzer.« Grum’aaks Fratze verzog sich zu etwas, das wohl ein Lächeln sein sollte. »Aber es ist die erste Linie zu einem Muster, das ich in deinen Körper schnitzen werde, Engel.«
Engel. Seit Äonen hatte ihn niemand mehr so genannt. Der Name gab ihm Kraft. Engel, das bedeutete, ein Krieger des Himmels zu sein. Auch wenn das Licht des Herrn nicht mehr auf ihn fiel, weil er gefehlt hatte, so war er doch noch ein Krieger, der aufrecht sterben konnte.
Er würde nicht um sein Leben betteln, wie Grum’aak vielleicht hoffte.
Mühsam rappelte er sich auf, bis er auf seinen Füßen vor dem riesigen Dämon stand. Den Kopf in den Nacken gelegt, breitbeinig, obwohl er vor Schwäche zitterte, stand er da und blickte in die gelben Pupillen des Sklaven, der kein Sklave mehr sein wollte.
»Töte mich«, flüsterte er.
»Mit Vergnügen, Herr.«
Damian schloss die Augen, als die mächtige Pranke ausholte, um ihn auszulöschen.
42.
Es war bereits nach einundzwanzig Uhr und von Damian war immer noch nichts zu sehen. Lara nippte an ihrem Glas Sekt. Sie versuchte, sich auf die Worte des Mannes zu konzentrieren, der sich mit einem schüchternen
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